Petra Kelly — Act Now!
Petra Kelly revolutionierte in den 1980ern die Inhalte und Kommunikation der Sozialen Bewegungen — nicht nur in Deutschland. Doch die Erinnerung an das Wirken der Mitbegründerin der Grünen wird seit ihrem Tod 1992 durch dessen gewaltsame Umstände überlagert. Nun gibt es mit »Act Now!« erstmals einen Kino-Dokumentarfilm, der sich vor allem dem politischen Lebenslauf der Aktivistin widmet — auch wenn dabei ihre familiären Beziehungen durchaus in den Blick kommen. Dieser privat-politische Komplex hat Regisseurin Doris Metz schon 2005 in »Schattenväter« beschäftigt, ihrem Doppelporträt von Willy-Brandt-Sohn Matthias und dem Sohn des Kanzleramtsagenten Günther Guillaume. Nun ist es vor allem Kellys Verhältnis zur Großmutter, die als Role Model und Managerin ihrer Enkelin fungierte, das interessiert.
Kellys »legacy« seien die »Samen, die sie in die Welt gesetzt habe«, sagt Fridays-for-Future-Sprecherin Luisa Neubauer im Film: das aus deren Jugend in den USA geschulte Zusammendenken von Anti-Atom- und Friedensbewegung, Ökologie, Feminismus und Menschenrechten. Andere Protagonist*innen des klassisch mit Archivalien und Interviewstücken montierten Films sind neben Kellys Bruder John die US-Aktivistin Cora Weiss und Gert Bastians ehemalige Bonner Büroleiterin Ina Fuchs. Viel Raum geht an die ehemaligen Mitstreiter Otto Schily und Lukas Beckmann, der — in dem von Metz gesetzten Rahmen — prominent Kellys Unterstützung der DDR-Opposition akzentuiert.
Das Ende des Films fixiert sich so sehr auf die Stasi, dass das Scheitern des zentralen Ziels der Bürgerrechtsbewegung untergeht: die Durchsetzung eines »Dritten Wegs« zwischen Kapitalismus und Staatssozialismus. Eine andere Leerstelle des ansonsten vielschichtigen und materialreichen Films ist das Scheitern von Kellys idealistischem Engagement im parteipolitischen Alltag. Wichtig aus heutiger Sicht: Diverse Berichte und archivierte Schmähbriefe zeigen in aller Schärfe, dass gezielte Hasskampagnen gegen Frauen in der Politik mit sexistischen (und auch antisemitischen) Bedrohungen schon vor Internet und Social Media den kommunikativen Raum vergifteten — und auch der Bundestag war schon in Zeiten vor der AfD keineswegs nur ein Ort gepflegten politischen Dialogs.
D 2024, R: Doris Metz, 104 Min.
Start: 12.9.