Hinterm Algorithmus geht’s weiter
»Kann KI Kunst?« Im Zuge der Berichterstattung über Spitzenerlöse durch KI-generierte Kunstwerke wird in Presse und Forschung seit einigen Jahren diskutiert, ob und wie Künstliche Intelligenz und Algorithmen die Kunst der Zukunft beeinflussen werden. Dass diese Frage gar nicht so neu ist, zeigt die Ausstellung »beyond algorithms_digital utopia« im Frauenmuseum in Bonn, die von Silke Dombrowsky, Ellen Junger und Sarah Gulik kuratiert wurde. Gleich drei Pionierinnen der Computerkunst werden hier erstmals gemeinsam präsentiert: Rune Mields, Vera Molnár und Cornelia Sollfrank.
Die Kölnerin Rune Mields (*1935), die sich erst 1964, nachdem sie Mutter von vier Kindern geworden war, vollends der Kunst widmete, malte bis auf Ausnahmen stets schwarzweiß; sie übersetzte Grundrechenarten und Algorithmen in meist großformatige konstruktiv-konkrete Zeichnungen und Gemälde. Sie interessierte sich für die Unendlichkeit, nutzte für ihre Bilder jedoch keine Computertechnik, sondern führte ihre Werkserien per Hand aus. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit gründete sie 1968 den Kunstverein »Gegenverkehr« in Aachen und verbesserte somit die Sichtbarkeit und Vernetzung von Künstler*innen. Ebenfalls in den ausgehenden 1960er Jahren war Vera Molnár (1924-2023) aktiv, wo sie die erste Konkrete Künstlerin war, die Bilder auf dem Computer generierte. Zuvor schon hatte sie eine »machine imaginaire« erdacht, eine Art imaginären Computer, nach dessen Regeln sie zeichnete und malte. Später entwickelte sie zusammen mit ihrem Mann die Software MolnArt, die als Meilenstein der Computerkunst gilt. Sie konnte dafür einen Großrechner an der Sorbonne in Paris nutzen, der einen ganzen Raum ausfüllte und keinen Monitor für eine Vorschau besaß. Wie Mields arbeitete sie seriell, mal mit Zufallsgenerator, mal mit Tintenstrahldrucker. Auch wenn es uns heute so vorkommt, als sei sie als Frau im Feld der Informatik eine Ausnahme gewesen, ruft uns eine Tafel im Open Space in Erinnerung, dass die ersten Programmiererinnen Frauen waren, die jedoch nie die Anerkennung erhielten, die sie verdienten. Erst ab den 1950ern wurde Informatik zur Männerdomäne.
Der Net Art Generator (1997) von Cornelia Sollfrank (*1960) und sein Nachleben in den darauffolgenden Jahrzehnten bilden das Herz der Ausstellung. Das Computerprogramm sammelt interaktiv Material aus dem Internet und setzt es zu neuen Collagen zusammen — so nutzt es zum Beispiel die »Flowers« von Andy Warhol. Die Ausstellung in Bonn bringt erstmals alle Teilprojekte des Werkkomplexes zusammen. 2006 befragte die Netzkunst-Pionierin Warhol in einem ›Fake-Interview‹ zu seinen Ansichten bezüglich Autorschaft und Urheberrecht. Rückwirkend erbat sie seine Erlaubnis, seine Gemälde durch ihren Net Art Generator zu reproduzieren. Sie schreibt dem Computer jedoch keine kreativen Fähigkeiten zu: »A smart artist makes the machine do the work«, so ihr Statement. In einem Nebenraum zeigt ein satirisches Video des feministischen Kollektivs »Old Boys Network« von 1999, dem auch Sollfrank angehörte, eine humorvolle Umfrage zum ›Cyberfeminismus‹ und dessen Auswirkungen in der Gesellschaft.
Algorithmen sind nicht neutral, wie uns meist suggeriert wird. Sie werden von uns gefüttert und treffen folglich auch Entscheidungen auf Basis unserer gesellschaftlichen Verfasstheit — das bezieht rassistische und homophobe Tendenzen mit ein. Diese und ähnliche Probleme beschäftigen die ebenfalls zahlreich vorhandenen jüngeren Positionen in der Ausstellung. Echo Can Luos Arbeit »beauty-alpha« (2021) untersucht auf KI-Plattformen, in sozialen Medien und in der Facelift-Branche die komplexe Interaktion von Ideologie, Demokratie und KI-Algorithmen in der Definition von Schönheit. Zwei Arbeiten des Künstler*innenkollektivs Karen Eliot in der Ausstellung (2008 und 2023) üben Kapitalismuskritik und Kathrin Hunze erforschte 2023 in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für chemische Ökologie das Sozialverhalten von Ameisen. Die Ergebnisse Hunzes werden wiederum in den digitalen Raum transferiert und über AR-Brillen erfahrbar gemacht. Jede weitere Arbeit in der Ausstellung fügt dem digitalen Raum eine Facette hinzu und macht ihn auf eine kritische Art und Weise neu erlebbar.
»beyond algorithms_digital utopia«
Frauenmuseum Bonn, Im Krausfeld 10, 53111 Bonn, bis 17.11.;
Di–Sa 14–18 Uhr, So 11–18 Uhr
30.8., 18 Uhr: Kathrin Hunze, Art + Aperó