Ungewöhnliche Freundin: Rasha Kayat, Foto: Anika Büssemeier

Die Außenseiterbande

Rasha Kayat erzählt von einer Freundschaft, in der das ­Ungewöhnliche normal ist

Auch die Ersatzfamilie sucht man sich nicht aus. Diese Erfahrung macht Hanna, als sie nach dem Tod ihrer Mutter bei ihren Groß­eltern Theo und Felizia ein neues Zuhause findet. Und mit den beiden ist sie dort nicht alleine. »Ist zu Hause nicht da, wo dir nebenan jemand die Tür aufmacht und sich freut, dich zu sehen?«, sagt ihr Großvater Theo zu Nabil. Nabil ist aus dem Libanon geflohen, als seine Frau bei einem Angriff auf ihr Wohnhaus starb, und lebt nun mit seiner Tochter Zeyna in Hannas Siedlung im Ruhrgebiet. Die beiden mutterlosen Mädchen freunden sich an. Als Kinder backen sie Plätzchen, als Teenager flirten sie — unterschiedlich erfolgreich — Jungs an und decken sich beim Urlaub mit der Kirchengemeinde in Großbritannien mit Second-Hand-Klamotten ein. Und dann ist da noch Cem, der »Puffer zwischen uns beiden«, wie Hanna irgendwann sagt.

Rasha Kayats »Ich komme nicht zurück« ist ein Buch über Freundschaft zwischen drei Außenseiter:innen: über Zusammenhalt, über Vertrauen und über all die kleinen Momente, in denen sich diese Gefühle herstellen — und über die großen Momente, die sie auf die Probe stellen. Als 2001 die Türme des World Trade Centers einstürzen, zeigt sich, wie unbedarft Hanna durchs Leben zu gehen vergönnt ist. Aber zu Beginn des Romans — mitten in der Pandemie — ist die Freundschaft zerbrochen: Cem hat sich mit seiner Partnerin in eine stabile Beziehung ohne Aufregung geflüchtet, und niemand weiß, wo sich Zeyna, die mittlerweile Reportage-Fotografin geworden ist, befindet. Als dann auch noch ihre Großmutter Felizia stirbt, versucht Hanna, die alte Freundschaft wiederherzustellen. Woran sie gescheitert ist, bleibt bis kurz vor Ende ihr Geheimnis. Hannas Erzählstimme prägt den Roman: mal reflektiert, mal introvertiert, mal herzlich, mal karg wie die Siedlung, in der Kayats Figuren leben. Aber niemals ohne eine zweite Ebene aus Verweisen, von denen der offensichtlichste das Werk der libanesischen Autorin und Künstlerin Etel Adnan ist, dass Kayat immer wieder zitiert. »Man neigt dazu, Menschen zu etwas zu machen, was sie nicht sind«, sagt Hanna an einer Stelle im Roman. Es gilt auch für den Text selbst.

Rasha Kayat: »Ich komme nicht zurück« Dumont, 176 Seiten, 24 Euro