Erfolgreich eingestellt
Es werden HIV-Medikamente bezahlt, Tumore entfernt oder einfach nur eine Brille verordnet — dank des Anonymen Krankenscheins (AKS), den Menschen ohne Krankenversicherung seit Juli 2023 in Anspruch nehmen können. Oft sind es Geflüchtete ohne Papiere, Obdachlose oder auch deutsche Staatsangehörige, die etwa Schulden bei der Krankenkasse haben. Der Anonyme Krankenschein, der auf Betreiben des Runden Tischs für Flüchtlingsfragen und auf Beschluss des Rates eingeführt wurde, gilt als Erfolg. Trotzdem könnte das Projekt nach anderthalb Jahren schon wieder Geschichte sein: Für die kommenden Jahre seien keine Mittel im Haushalt zur Verfügung gestellt worden, teilte Gesundheitsdezernent Harald Rau Anfang September mit. Somit ende das Projekt zum 31. Dezember.
Sofort regte sich Protest beim Kölner Flüchtlingsrat, der den Anonymen Krankenschein gemeinsam mit anderen Trägern und dem Gesundheitsamt verantwortet, aber auch bei der Politik. Die Grünen, größte Fraktion im Rat, forderten, der Anonyme Krankenschein müsse bleiben. In einer von SPD und Linken beantragten Aktuellen Stunde im Gesundheitsausschuss erhöhten die Fraktionen den Druck auf Rau, die nötigen Mittel für die Fortführung des Projekts aufzutreiben. Doch das letzte Wort hat die Kämmerin. Sie wird den Haushalt für die Jahre 2025 und 2026 im November einbringen — und die Sparzwänge sind so groß wie seit vielen Jahren nicht. In der Flüchtlings- und Jugendhilfe, beim Gewaltschutz für Frauen, aber auch in der Kultur wird mit Einschnitten gerechnet. Köln könnte seine selbst auferlegten Mindeststandards in der Unterbringung von Geflüchteten aufgeben, hört man. Wie groß sind da die Chancen für den Anonymen Krankenschein?
Als »gute Sache« bezeichnet ihn auch Katja Hoyer (FDP). Durch die Beratung, die jeder Ausstellung eines Anonymen Krankenscheins vorausgeht, sei es auch gelungen, Menschen in die Regelversorgung zu bringen — also einen Aufenthaltsstatus oder gar den Zugang zur regulären Krankenversicherung zu erreichen. Auch Obdachlosen, die häufig physisch und psychisch erkrankt sind, könne mit dem Anonymen Krankenschein besser geholfen werden. Suchtkranken, die nicht versichert sind, ermöglicht er eine Substitutionstherapie. »Die Grünen loben sich für das Projekt — aber dann erwarte ich auch, dass sie es nun retten«, so Hoyer.
»Wir haben in der Fraktion einstimmig für die Fortführung des AKS gestimmt«, sagt Ralf Unna (Grüne). Nun müsse zunächst die Verwaltung priorisieren, dann die Politik »Schadensbegrenzung betreiben«. Es sei klar, dass man nicht alle Kürzungen zurücknehmen könne. Der Anonyme Krankenschein jedoch, der »total sinnvoll ist und auch super funktioniert«, so Unna, habe in seiner Fraktion höchste Priorität: »Wir werden ihn retten.«
Beteuerungen dieser Art nützten ihm zurzeit wenig, sagt Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats. Die Verträge der Mitarbeiter, die beim Flüchtlingsrat, bei Diakonie, Caritas und anderen Organisationen für den Anonymen Krankenschein zuständig sind, laufen Ende des Jahres aus. Nach der Vorstellung des Haushalts am 14. November hätten die Fraktionen gerade einmal vier Wochen Zeit, um den AKS zu verlängern, so Prölß. Die Finanzierung im Bereich Integration und Flucht sei so dramatisch wie in den vergangenen Jahrzehnten nicht. Prölß wird im November vor dem Rathaus protestieren: »Der Anonyme Krankenschein ist eine Investition, die sich auszahlt und ein Vorbild dafür, wie man das Recht auf Gesundheitsversorgung umsetzen kann. Jetzt muss der Rat die Mittel dafür auch bereitstellen«, sagt Prölß.