Blickt neidisch nach Bergisch Gladbach: Architektin Andrea Bachmann

»Es ist kein richtiger Wille erkennbar«

Andrea Bachmann vom Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) Köln über die Entscheidungen zum Otto-Langen-Quartier in Mülheim

Frau Bachmann, das Otto-Langen-Quartier beschäftigt seit Jahren Politik und Verwaltung. Der BDA Köln hat sich nun mit einem Offenen Brief eingemischt. Warum?

Noch Anfang des Jahres gab es den klaren Auftrag der Politik an die Verwaltung, mit dem Land NRW über einen Direktankauf zu verhandeln. Derzeit gehört die ehemalige KHD-Hauptverwaltung an der Deutz-Mülheimer-Straße der Stadt, sie hat es über ein Vorkaufsrechtverfahren vom früheren Investor und Eigentümer erworben. Der hintere, wesentlich größere Teil gehört dem Land NRW. Die Grundstücksgrenze verläuft teils mitten durch die Gebäude. Sinnvoll planen kann man nur, wenn beide Grundstücke von einem Eigentümer beplant werden. Um auch den anderen Teil im Direktankauf erwerben zu können, muss die Stadt dem Land jedoch ein verbindliches Planungskonzept vorlegen, welches die Voraussetzungen des Landes-Haushaltsgesetzes erfüllt. Es scheint allerdings so, dass die Stadt ein derartiges Konzept bis heute nicht vorgelegt hat, obwohl dies klarer Auftrag der Politik war. Im Juni beschloss die Politik plötzlich doch das Höchstpreisverfahren, das sich an Investoren richtet.

Wo liegt das Problem?

Das Baudezernat hat keinerlei Stellschrauben benannt, damit der Direktkauf noch machbar wird. Für uns ist kein richtiger Wille erkennbar.Uns verwundert, dass nach den Erfahrungen mit den umliegenden Grundstücken das Heil wieder bei einem Großinvestor gesucht wird. Entlang der Deutz-Mülheimer-Straße ist nur Wüste! Da geht seit zehn Jahren nichts voran. Beim letzten Grundstück in öffentlicher Hand sollte man die Fäden auf keinem Fall aus der Hand geben. Wir befürchten, dass ein Investor auf dem Otto-Langen-Quartier bis auf vier denkmalgeschützte Gebäude alle Industriehallen abreißen wird.

Beim letzten Grundstück in öffentlicher Hand sollte man die Fäden auf keinen Fall aus der Hand gebenAndrea bachmann, bda

Hat jemand auf Ihren Offenen Brief geantwortet?

OB Henriette Reker, CDU und FDP haben sich gar nicht gemeldet. Volt teilt unsere Meinung, sagt aber, sie hätten aufgrund ihrer geringen Fraktionsstärke keinen Einfluss. Die Grünen haben eine ausführliche Stellungnahme geschickt. Sie sehen die Dinge ähnlich wie wir, aber aus dem Brief klingt Resignation heraus. Sie meinen, man könne immer noch gemeinwohlorientiert entwickeln — einen Direkterwerb haben sie aber aufgegeben. Wir haben den Eindruck, dass bei solchen Themen zu wenig Fachwissen besteht und bieten immer unsere Expertise an, es hat aber noch keiner wahrgenommen.

»Gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung« klingt gut. Aber was ist das genau?

Orte, die den Bürgern dienen: kulturelle, soziale Nutzungen, geförderter Wohnungsbau, kleine Handwerksbetriebe, Bildungs- und Forschungseinrichtungen. All das könnte man auf dem Otto-Langen-Quartier umsetzen und aus dem Bestand heraus entwickeln, also erst nach und nach planen, um zu schauen, was sich entwickelt, und was fehlt. Für eine Entwicklung, die ein bisschen offen ist, fehlt der Stadt aber der Mut. Das ist etwa im Liebig-Quartier in Ehrenfeld ähnlich. Da wird ein klassisches, städtebauliches Entwicklungskonzept gemacht statt prozessualer Entwicklung.

Warum kann es keine Gemeinwohlorientierung mit einem Großinvestor geben?

Daran zu glauben, ist naiv. Die Stadt gibt alle Fäden aus der Hand und der Investor agiert renditeorientiert. Wenn etwas zum höchsten Preis gekauft wird, kann es nicht gemeinwohlorientiert entwickelt werden, weil der Investor den hohen Preis ja wieder einspielen will und muss.

Aber es sollen doch in einem ersten Schritt die besten Konzepte berücksichtigt werden.

Aber in der zweiten Stufe entscheidet allein der Preis. Die Konzeptvergabe ist womöglich nur alibimäßig vorgeschaltet. Wir befürchten, dass der Investor, der den Zuschlag erhält, mit ein paar Tricks sein Konzept wieder aufweicht und sich aus der Gemeinwohlorientierung rauszieht, um den Kaufpreis zu refinanzieren.

Läuft es anderswo besser?

Bergisch Gladbach hat aktuell das Zanders-Areal, das Gelände einer ehemaligen Papierfabrik, gekauft  und entwickelt es nun. 36 Hektar — siebenmal so groß wie das Otto-Langen-Quartier. Es soll ein Musterquartier mit partizipativen Formaten werden, eine ressourcenschonende Planung aus dem Bestand heraus über 20 Jahre. In der Verwaltung in Bergisch Gladbach sprüht man vor Lust für das Projekt.