Der Koloss von Kölle

Bismarckturm, Gustav-Heinemann-Ufer

Wer die dreieckige Grünanlage zwischen Rheinufer und Bayen­thalgürtel zu Fuß oder mit dem Fahrrad durchquert — und das tun viele — nimmt den Bismarckturm als Denkmal wohl kaum wahr. Das 27 Meter hohe Mauerwerk auf kreuzförmigem Grundriss mit der Figur Otto von Bismarcks war bei seiner Errichtung 1902 für die Perspektive von Schiffen und Uferspaziergängern aus größerer Entfernung gedacht. Auf der viel befahrenen Rheinuferstraße ist längst kein Rasten mehr möglich, wohl aber in dem kleinen Park mit Bänken und Ahornbäumen. Hier muss man den Kopf schon ordent­lich in den Nacken legen, um zu erkennen, dass sich die Natur das wuchtige Monument langsam zurückerobert und bereits Bäumchen aus dem Mauerwerk sprießen.

Das düster wirkende National­denkmal wurde nach einem Entwurf von Arnold Hartmann in der Formensprache des Jugendstils erbaut. Der »Eiserne Kanzler« mit festem, strengem Blick in der Pose des sitzenden Roland ist nur an seinem markanten Schnauz zu erkennen. Er trägt eine Ritterrüstung und hält einen großen Schild mit dem Reichsadler. Flankiert wird er von zwei Strebepfeilern mit bronzenen Siegeskränzen.

Rund 240 weitere Bismarcksäulen wurden zwischen dessen Tod 1898 und 1915 im Deutschen Reich errichtet, nicht alle wie hier mit einer Feuer­schale auf der Spitze. Vor allem die nationalistische Studentenschaft verehrte den Staatsmann und verfolgte mit dem Turmprojekt den ehrgeizigen Plan, alljährlich seinen Geburtstag am 1. April sowie die Sommersonnenwende mit landesweiten Gedenkfeuern zu feiern. Auf dem Kölner Koloss loderte das Feuer zuletzt im unheilvollen Jahr 1939.

Natürlich stellt sich die Frage, ob das weltoffene Köln solche Denkmäler noch braucht. Beim­ Wissen um Bismarcks politische Dauerkämpfe im Reichs­tag, vor ­allem mit der Sozialdemokratie, seine umstrittene Außen- und Kolonialpolitik, aber auch ­seine Verdienste um den europäischen Frieden, stoßen Auswüchse natio­naler Begeisterung in Zeiten eines zunehmenden Rechtsextremismus empfindlich auf.

»Aber auch so ein Bauwerk gehört zu unserem Erbe und wir müssen es als Produkt jener Zeit erhalten«, befand Stadtkonser­va­tor Ulrich Krings und setzte sich im Jahr 2001 für die Restaurierung ein. Man kann dieses Erbe wie ­Martin Stankowski »völlig überflüssig und unsinnig« finden oder es als Teil der deutschen Erinnerungskultur gelassen hinnehmen — es wächst eh schon Gras drüber.