Flugtheater am Heizkraftwerk: Angels Aerials macht Vertical Dance © VdK

Die Nacht neu erfinden

Aus der »Kölner Theaternacht« wird das »Festival der darstellenden Künste« — mit drei Tagen künstlerischem Programm

In der Stadt ist Bewegung. Kleinere Grüppchen flanieren durch die anbrechende Nacht von Theater zu Theater, von einer Rheinseite zur anderen. Hier der Glanz eines Scheinwerferlichts vor den Fenstern, dort der Schall elektronischer Beats, der dumpf hinter verschlossenen Flügeltüren erklingt. Es sind insgesamt 250 Aufführungen in 60 verschiedenen Locations über drei Tage verteilt, eine neue Dimension an stadtübergreifendem Kulturfestival.

Bis 2023 war das Festival der darstellenden Künste noch unter dem Namen Kölner Theaternacht bekannt, seit 2001 eine traditionsreiche Institution in Köln, lange einzigartig in ihrer Form, aber als Konzept mittlerweile von vielen Städten übernommen. Zum ersten Mal wird sie dieses Jahr nun unter neuem Namen und mit erweitertem Programm präsentiert. Aus der Nacht werden Nächte, die aktualisierte Version ist jetzt noch größer, noch vielseitiger.

Dabei bleibt die Grundidee bestehen: Mit einem Ticket zirkuliert man zwischen den Venues, kann sich im Laufe des Abends verschiedene Performances und Inszenierungen ansehen, die jeweils nicht länger als 20 Minuten dauern. Dadurch bekommt man einen guten Überblick, was die Kölner Kulturlandschaft zu bieten hat, es ist eine Möglichkeit für Häuser, Ensembles und Künstler*innen, sich vorzustellen und eine kleine Sneak Preview auf die kommende Spielzeit zu geben.

Aber was ist neu? Und warum überhaupt? »Es wurde nach 20 Jahren langsam mal Zeit, das Konzept weiterzuentwickeln. Und um herauszufinden, was man an der Theaternacht ändern könnte, haben wir einfach unser Publikum nach ihren Wünschen und Bedürfnissen gefragt«, erzählt Manuel Moser. Er ist künstlerischer Leiter des COMEDIA Theaters und im Vorstand des Vereins für darstellende Künste Köln e.V., der das Festival organisiert und veranstaltet.

Die Zuschauer*innenbefragung führte das Vereinsteam zu neuen Perspektiven: Das Prinzip der Thea­ternacht wird toll aufgenommen, aber es sei doch schade, dass die vier bis fünf Performances, die man an einem Abend zu sehen ­bekommt, noch lange nicht die Vielfalt der Kölner Szene abbilden. Daher kam die Idee, ein ganzes Festival daraus zu machen. Die Sparten, die beim diesjährigen Festival der darstellenden Künste bedient werden, sind Theater, Tanz, Performance und zeitgenössischer Zirkus. Auch das sei Teil der Evolution der Kölner Theaternacht, erzählt Manuel Moser: »Die Szene hat sich im Vergleich zu damals sehr diversifiziert, es gibt eine riesige Bandbreite in den darstellenden Künsten. Das war für uns auch noch ein anderer Antrieb, diese Diversität sichtbar zu machen. Deswegen war der Titel Theaternacht einfach nicht mehr so adäquat.«

Diese Entwicklung werde von allen Vereinsmitgliedern sehr begrüßt. Das betont auch Mosers Kollegin Andrea Bleikamp. Sie ist ebenfalls im Vorstand des Vereins und außerdem künstlerische Leitung der Performancegruppe WEHR51. »Wir haben als Vorstand diese Erweiterung und Einbeziehung aller darstellenden Künste angestrebt. Alles andere wäre nicht mehr zeitgemäß. Wir arbeiten schließlich heute alle interdisziplinär«, erklärt sie. Der Verein für Darstellende Künste wurde 2020 gegründet und umfasst derzeit 200 Mitglieder. All diese sind im Festivalprogramm vertreten. »Wir haben das Programm nicht auf eine Ausschreibung oder strenge Kuratierung gestützt, sondern sämtliche Vereinsmitglieder können und sollen sich beteiligen, um die Szene in ihrer Gänze zu repräsentieren«, sagt Andrea Bleikamp.

Die Bandbreite in dem dreitägigen Programm ist in der Tat riesig, denn die genannten Sparten werden noch weiter ausgereizt: ­Da finden sich Audiowalks, artis­tische Shows, preisgekrönte Zauberer, DJ-Sets, Kabarett, Poetry-Lesungen, Comedy-Shows. Um den Festival- und Eventflair zu betonen, hat das Vereinsteam für die Konzeptionierung mit Philipp Treudt und Johannes Hartmann, den Veranstaltern der Tour Belgique, zusammengearbeitet. Am zweiten Tag, am Feiertag der deutschen Einheit, wird tagsüber ein Kinderprogramm angeboten.

Es wurde nach 20 Jahren langsam mal Zeit, das Konzept weiterzuentwickelnManuel Moser

Örtlich erschließt das Festival die Himmelsrichtungen der Stadt: Der Eröffnungstag konzentriert sich auf die Südstadt, am zweiten steht die Schäl Sick im Fokus und schließlich am dritten die Innenstadt. Alles räumlich konzentrierter, alles gut zu erreichen. Nicht nur in den klassischen Häusern, in denen man es erwarten würde, wird gespielt. So landet man plötzlich für die Inszenierung einer Schauspielschule im Sport- und Olympiamuseum oder bei der Installation einer virtuellen Fas­sadenbegrünung im Haus der ­Architektur.

Unter das feste Programm ­mischen sich aber auch künstlerische Guerilla-Performances und Outdoor-Installationen. »Wir haben uns gefragt, wie wir das Festival im Stadtbild sichtbarer machen und auch Menschen abseits vom klassischen Theaterpublikum ansprechen können. Deswegen bespielen wir große öffentliche Plätze, wie den Chlodwigplatz, den Wiener Platz und den Ebertplatz«, fügt Manuel Moser noch hinzu.

Eine beliebte Tradition aus der Theaternacht bleibt weiterhin bestehen: Für entscheidungsfürchtige Besucher*innen gibt es das Angebot einer guided tour, die entweder mit dem Fahrrad oder dem Taxi unternommen werden kann. In einer Gruppe von bis zu 15 wahllos zusammengewürfelten Menschen übernimmt ein Guide die schwierige Entscheidung der Programmauswahl und lässt uns nach den vier vorgesehenen Stopps netterweise am Ende auch noch bei der Aftershow Party raus. Durch den Guide erfährt man Wissenswertes über die Häuser und Ensembles und kann in der Gruppe potentielle Theater-Buddys für die kommende Saison kennen­lernen. Im Festival wird die stadtspezifische Geselligkeit einfach mitgedacht.

»Ich behaupte, Köln hat bundesweit die größte, bunteste und vielfältigste freie Szene, das zeichnet unsere Stadt aus«, sagt Andrea Bleikamp zum Schluss. »Es hat mit der Stadt zu tun, Köln ist kreativ und kommunikativ und hat eine lange künstlerische Geschich­te, in der jeder so genommen wird, wie er ist.« Die Diversität, der Austausch, die Feier der freien Szene: Auch wenn die Kölner Theaternacht sich weiterentwickelt hat, das Festival der darstellenden Künste bleibt typisch kölsch.