Außer Kontrolle
Die Opernsanierung kostet wieder mehr Geld. Einen Termin, wann die Bühnen am Offenbachplatz eröffnet werden können, will niemand mehr nennen. Zunächst hieß es in diesem Jahr noch, es gebe nur noch wenige technische Probleme, eine Fertigstellung der Baustelle sei bald möglich. Doch ob das wirklich so ist, daran wachsen die Zweifel.
Anfang Oktober genehmigte der Stadtrat eine erneute Kostensteigerung von rund 90 Mio. Euro. Die Gesamtsumme inklusive Kosten für Kredite und Ausweichspielstätten beträgt nun knapp 1,5 Milliarden Euro, ursprünglich waren vor zwölf Jahren 253 Mio. Euro für die Sanierung veranschlagt worden.
Die SPD allerdings verweigerte die Zustimmung. Sie forderte eine »Ruhendstellung« der Sanierung. Ein »Expertengremium« solle eine »Exit-Strategie« entwickeln, wie die Opernsanierung beendet werden kann — und untersuchen, welche juristischen und finanziellen Folgen das hätte. Für Maria Helmis-Arend, kulturpolitische Sprecherin der SPD, muss »jetzt klar beantwortet werden, ob die Oper überhaupt fertigstellbar ist — und wenn ja, sollte das mit Indikatoren belegt werden und nicht wie bislang mit Glaubenssätzen.«
Die Kritik am SPD-Antrag fiel heftig aus, er sei »populistisch«, hieß es. »Für mich zeigt das nur, dass wir einen wunden Punkt getroffen haben«, so Helmis-Arend. Etwa ein halbes Jahr könnte die Ruhendstellung dauern, sagt sie. Dann müsse die Analyse des Expertengremiums vorliegen.
Aber was könnte statt der Oper am Offenbachplatz entstehen? Dass profitorientierte Investoren zum Zuge kämen, wie Kritiker befürchten, ließe sich verhindern, »etwa, indem man eine Gemeinwohlorientierung« zur Bedingung mache. »Was wäre, wenn man die Oper entkernte und ein Schulzentrum, ein Bürgerhaus für alle oder eine Veranstaltungshalle dort unterbrächte?« Die Behauptung, die Sanierung sei alternativlos, sei zynisch, so Helmis-Arend. »Wie viele Millionen sollen da noch reinfließen? Wann ist Schluss?«
Während der Rat debattierte und Gemeinplätze über die Bedeutung von Kunst und Kultur als »Kitt der Gesellschaft« fielen, demonstrierte vor dem Rathaus die freie Szene. Denn auch dort sorgt die Opernsanierung mittlerweile für Unmut. Mit dem Slogan »Kultur ist mehr als Oper« protestierte etwa die Kölner Jazz-Konferenz (KJK) auf Instagram gegen Kürzungen für die Freie Szene. Auch hier lautete der Vorwurf wieder: Populismus. »Auf Social Media muss man etwas zuspitzen«, sagt Joscha Oetz, Vorsitzender der KJK. Er wolle nicht die Oper attackieren, sondern auf ein Missverhältnis aufmerksam machen: »Die Ausgaben für die gesamte Freie Szene betragen nur fünf Prozent des Kulturetats.« Kürzungen seien ein »fatales Signal«. In der KJK sind viele Künstler*innen organisiert. Am Ende ihrer Projekte stehen etwa Konzerte oder Kompositionen, die nun auf dem Spiel stehen. Bei der Offenen Jazzhausschule, wo Oetz arbeitet, stehen soziokulturelle und musikpädagogische Projekte auf der Kippe. In dieser Situation wünscht sich Oetz mehr Solidarität von den Bühnen.
Es muss klar beantwortet werden, ob die Oper überhaupt fertigstellbar ist Maria Helmis-Arend, SPD
Bislang galt es als Tabu im Rathaus, nach Verantwortlichen für das Baudesaster zu fahnden. Nun aber wird der Ton schärfer. So gerät Patrick Wasserbauer, seit mehr als 15 Jahren geschäftsführender Direktor der Bühnen, ins Visier der Politik. Ob sein Vertrag 2026 noch einmal verlängert wird, ist fraglich. Aber auch Bernd Streitberger, der 2016 als ehemaliger Baudezernent geholt wurde, um als Technischer Betriebsleiter der Bühnen Ordnung auf der Baustelle zu schaffen, wird nun zunehmend verantwortlich gemacht — allerdings ist er seit Mitte des Jahres im Ruhestand. Jetzt hört man, Streitberger habe den Kulturausschuss und die gesamte Politik »rhetorisch eingelullt« und »alles schöngeredet«. Die Monatsberichte, die die Politik über den Sachstand informieren sollten, seien »intransparent« gewesen.
Nach Schuldigen zu suchen, hält Jörg Detjen (Linke) nicht für zielführend. Der Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses zeigt sich eher an den Strukturen interessiert, die zum Desaster geführt haben. Er begrüßt aber auch, dass nun das Rechnungsprüfungsamt die Vorgänge aufarbeiten soll, obgleich das eine »immense Aufgabe« sei, so Detjen. Schon 2016 — nachdem die Wiedereröffnung der Bühnen zum ersten Mal geplatzt war — hatte es eine Aufarbeitung gegeben. »Erst planen, dann bauen«, lautete kurzgefasst die Empfehlung der Gutachter. Doch das konnte das weitere Chaos auf der Baustelle offenkundig nicht verhindern.
Walter Wortmann (Die Partei) forderte, den Unterausschuss Kulturbauten wieder einzurichten, der 2022 abgeschafft worden war. »Mitglieder im Ausschuss für Kunst und Kultur, die zugleich im Betriebsausschuss der Bühnen sitzen, sind keine Bausachverständigen«, so Wortmann.
Auch im Ratsbündnis von Grünen, CDU und Volt zeigen sich erste Risse. Als Anfang Oktober die erneute Kostensteigerung beschlossen wurde, scherten zwei Mitglieder der vierköpfigen Volt-Fraktion aus und verweigerten ihre Zustimmung. Womöglich hätte es das auch bei Grünen und CDU gegeben, wenn der Fraktionszwang dort aufgehoben worden wäre.
Die Opernsanierung habe seine Fraktion vor eine Zerreißprobe gestellt, bekannte Christian Achtelik (Volt) freimütig im Rat. Gegenüber der Stadtrevue erklärt er: »Der neue Projektleiter hat mir glaubhaft versichern können, dass die Dinge auf der Baustelle nun anders laufen.« Allerdings verstehe er, wenn dies anderen in seiner Fraktion als Argument nicht ausreiche. »Die Zuversicht, dass diese Kostensteigerung die letzte sein wird, hat einige verlassen.« Daraus ergebe sich auch die Verantwortung, ein Projekt vorzeitig zu beenden, wenn man den Eindruck habe, dass es nicht zu Ende geführt werden könne.
Auch Ralph Elster (CDU) sprach im Betriebsausschuss Bühnen davon, man müsse überlegen, das Projekt zu stoppen, sollte es weitere 500 Mio. Euro kosten. Zwei Wochen später im Rat sah er die Lage entspannter: Köln sei kein Sonderfall, so Elster. Europaweit schössen die Kosten für Kulturbauten in die Höhe.
Das Opern-Desaster wird wohl auch zum Thema im Kommunalwahlkampf werden. »Wir werden alle im Wahlkampf mit den Summen für die Opernsanierung konfrontiert werden«, sagt Maria Helmis-Arend von der SPD. »Aber wenn jetzt bei Bürgerzentren, Initiativen und der freien Kulturszene gekürzt wird, weiß ich nicht, wie Grüne und CDU das vermitteln wollen. Diese Gleichzeitigkeit ist doch unerträglich.«