Klang, Lärm und Magie am Ende der Woche
Moor Mother und Kahil El’Zabar — das sind zwei Klangkünstler und Musiker, die wir schon häufiger in Köln gesehen und gehört haben. Aber noch nie gemeinsam an einem Abend. Genau das verspricht aufregend zu werden und erzählt viel über das Programm und die Magie des Week-End Festivals, das dieses Jahr seine 13. Ausgabe feiert.
Konkret — was daran ist aufregend? Beide sind sie Vertreter zeitgenössischer schwarzer Musik, beide vertreten gleiche musikalische Werte, versprechen Erleuchtung, gar Erlösung, beide sind sie klangforscherisch radikal gestimmt und gleichzeitig traditionsbewusst — und sie könnten doch unterschiedlicher nicht klingen und auftreten. Hier — Moor Mother — explizit politisches (!) Lärmgewitter, in dem die Echos von Industrial und Public-Enemy-HipHop nachgrollen und donnern; dort — Kahil El’Zabar — Chicagoer AACM-Schule: Jazz in welthistorischer Absicht. Wie gesagt, beide Acts passen großartig zusammen, auch wenn bis dato vermutlich niemand auf die Idee gekommen ist, sie nacheinander auf die Bühne zu schicken.
Aber das ist eben das Week-End Fest! Von Anfang an war die Festival-Idee, erstens nur die Bands und Künstler einzuladen, die die (damaligen) Veranstalter Jörg Waschat und Jan Lankisch selber hören — oder noch besser: gerade entdeckt und in die sie sich verliebt haben; zweitens sich nicht um »Aktualität« oder »Zeitgeist« zu scheren; drittens den Blick weit über Europa oder die USA hinaus schweifen zu lassen; viertens dennoch streng darauf zu achten, dass das Programm irgendwie superstimmig ist.
Von Anfang an war die Festival-Idee, nur die Bands und Künstler einzuladen, die die Veranstalter selber hören
Klar, es gab bessere und schlechtere Week-End-Jahrgänge, liegt in der Natur der Sache. Dieser Jahrgang scheint wieder ein besonders starker zu werden. Auf den Eröffnungsabend folgen zwei extrem (das ist wortwörtlich zu verstehen) abwechslungsreiche Abende: Die Reihenfolge am 1.11. ist, ungefähr, R’n’B, New Age, Kraut Dub / Kölsche Schule, Psychedelic Folk, Singer / Songwriter, 70er-Jahre-New-York-Disco. Das kann man sehr gut in seinem Kopf und an einem Abend aushalten, weil die Künstlerinnen und Künstler ihre Musik lieben und sie es nicht auf Extravaganzen abgesehen haben, sondern in sich ruhende Sets spielen. Als Zuhörer bewegt man sich wie in einer Ausstellung von Exponat zu Exponat und kann sich am besten den Zusammenhang selbst erschließen. Besonderes Augenmerk auf — Jessica Pratt (auch sie in Köln keine Unbekannte), die sich mittlerweile als gebrochen große Sängerin und Sublimiererin krasser Gefühle präsentiert und deren aktuelles Album »Here In The Pitch« man als beeindruckendes Comeback bezeichnen muss. Es dauert nur eine halbe Stunde, besingt aber eine ganze Welt. Auf dem Week-End wird sie sicher länger auf der Bühne stehen.
Der Abschlussabend mit fünfActs bringt: Krautpop in der Neue-Deutsche-Welle-Fassung, instrumentaler HipHop im Bandformat (again: Kölsche Schule), Dream Pop, Indie-Electronica-Jazz und, nennen wir es: KAPD-Disco (Komrades of Anti-Patriarchal Disobidience). Hier wäre das Tara Clerkin Trio aus Bristol besonders hervorzuheben. Bandchefin Tara Clerkin hat sich mit den Brüdern Pat Benjamin und Sunny Joe Paradisos zusammengetan, um eklektizistischen Pop zu spielen, als wären es Jazz-Stücke der 60er Jahre. Ihre Musik ist unbekümmert und ungezwungen und unterläuft die Koordinaten, die hier aufgerufen wurden — denn in Wirklichkeit geht es noch unübersichtlicher, eklektizistischer, wuseliger zu. Bei ihren Stücken könnte es sich mitunter um Warp-Clubtracks aus den späten 90ern handeln. Ist aber egal. Das Tara Clerkin Trio sieht sich konsequent in der Gegenwart verankert. Wo es dann doch zu rutschig zugeht, um sich wirklich verankern zu können.
Das könnte überhaupt das Motto des Festivals sein: keine Wurzeln schlagen, sondern sich durch die Unwägbarkeiten der zeitgenössischen Pop-Spielarten schlängeln, ohne Kompass, aber mit viel gutem Gespür. Wird auch dieses Jahr gelingen.
Week-End Fest
Do 31.10., Fr 1.11., Sa 2.11.
Stadtgarten All Area
weekendfest.de