Herzen im Hamsterrad: An der Belastungsgrenze

Diverse Herzensangelegenheiten

Das Kurzfilmfestival Köln widmet sich politischen Themen und experimentellen Formen

»Auf der einen Seite ein wunderschöner Sonnenaufgang, auf der anderen Seite der Krieg« sagt Herr Ham, der sich sein Herz entfernen lassen möchte, weil es zu schwer geworden ist. »Ach Herr Ham, Sie müssen wissen, dass das ein Phäno­men unserer Zeit ist. Das Herz ist nur eine Last«, erwidert der Doktor.

»Tako Tsubo« lässt sich mit Stress-Kardiomyopathie oder Gebrochenes-Herz-Syndrom übersetzen. So heißt dieser Animations­kurzfilm von Fanny Sorgo und Eva Pedroza, der zu den minimalistischen Werken des diesjährigen Programms des KFFK/ Kurzfilmfestivals Köln gehört. Trotz erheb­licher Förderkürzungen präsentiert das Festival auch in der 18. Ausgabe über 100 Kurzfilme aus zahlreichen Ländern, verschiedenen Gattungen und diversen Genres. Darunter sind dokumentarische Arbeiten, digitale Experimente und narrative Kurzspielfilme. Im deutschen Wett­bewerb, der das Zentrum des Festivalprogramms bildet, zeichnen sich zwei inhaltliche Themenstränge ab: das Private und das Politische.

In »El Mártir« erkundet Elías seine Sexualität über eine Figur von Jesus Christus, »Everythingness« verhandelt innere Konflikte in bunten Farben und Kontrasten, in »The Red Sea Makes Me Wanna Cry« beobachten wir Idas Umgang mit Tod und Trauer. Persönliche Probleme und Schicksale stehen im Mittelpunkt dieser Geschichten.

Aber die Politik kommt nicht zu kurz: In »Ungewollte Verwandt­schaft« thematisiert Filmemacher Pavel Mozhar anhand von Berichten ziviler Opfer in der Ukraine ein System der Unterdrückung. Die investigative Kurz-Doku »Eine einzelne Tat« von Constanze Wolpers blickt auf strukturellen Rassismus in Deutschland. Zum filmischen Umgang mit aktuellen Kriegen, politischen Unruhen und dem vorherrschenden Rechtsruck gesellt sich an anderer Stelle noch der Blick in die Vergangenheit.

Angesichts dieser Bandbreite wird deutlich, dass man das Publikum zu Diskussionen anregen möchte, die über die Filmanalyse hinausgehen. Dies unterstreicht ganz nebenbei die Tatsache, dass auch die Festivalarbeit selbst immer eine politische Tätigkeit ist, die ihren Stellenwert in der Kultur­arbeit nicht verlieren darf — angesichts gekürzter Fördermittel ist das durchaus eine naheliegende Befürchtung, gerade wenn es um den Kurzfilm geht, dem nicht oft so eine Bühne wie beim KFFK geboten wird.

Einen weiteren Schwerpunkt, der sich aus der Filmauswahl 2024 ablesen lässt, bildet der Komplex Künstliche Intelligenz (KI). Bereits in den vergangenen Jahren gab es in Köln immer wieder Beispiele für Arbeiten mit oder über KI zu sehen. Akute Fragen drängen sich bezogen aufs Filmemachen auf: Was ist dran am Versprechen, dass KI filmische Produktionen ein­facher mache oder an der Angst, dass Filmschaffende demnächst von Robotern oder Algorithmen ersetzt werden?

Hat Künstliche ­Intelligenz unsere Leben bereits ­gravierend verändert?

Einige Filme beim diesjährigen KFFK zeigen, dass KI nutzbar ist, um neue experimentelle Formen zu kreieren — und dass sie dadurch keineswegs die menschlichen Künstler*innen abschafft. Die Sektion New Aesthetic eröffnet interessante Perspektiven. Gezeigt wird unter anderem »The Future Of Life« von Jonas Lund, der der Frage nachgeht, ob KI ewiges ­Leben möglich macht. »Dzata: The Institute Of Technological Con­sciousness« der Südafikaner*innen Russel Hlongwane, François Knoet­ze und Amy Wilson verwendet Material sowie 3D-Scans aus Game-Engines und KI-generierten Welten. Ihnen geht es darum, wie man mit Hilfe von KI und hybriden Formen der Animation beziehungs­weise des Videomachens Geschichte herstellen und archivieren kann. High-Tech-Träume aus Text-to-Image Bildern begegnen uns in »512×512« von Arthur Chopin.

»Counterfeit Poast« schildert den Einfluss neuer Technologien auf unseren Alltag, indem Filmemacher Jon Rafman sie sowohl benutzt als auch ihre Wirkung analysiert. Über allem schwebt die grundsätzliche Frage: Beziehen sich die Hoffnungen und Ängste, die wir mit Künstlicher Intelligenz verbinden, auf reine Zukunftsszenarios — oder hat Künstliche Intelligenz unsere Leben bereits gravierend geändert?

KFFK / Kurzfilmfestival Köln

Di 19.11.– So 24.11.
kffk.de