Abschied in die Zukunft

Nach 18 Jahren muss die Thomas Rehbein Galerie ihre Räume auf der Aachener Straße verlassen

Als Thomas Rehbein 1995 seine Galerie gründete, war Köln noch Anziehungspunkt der internationalen Kunstszene schlechthin: Die Art Cologne war Kunstmesse Nr.1, Galerien wuchsen zu Mega-Galerien, in der Stadtgesellschaft war die Präsenz von Kunstsuperstars an der Tagesordung. Wenn Thomas Rehbein heute von der Gründungszeit seiner Galerie erzählt, gerät er fast ins Schwärmen. Es sei eine goldene Ära gewesen, in der Sammelnde auch mal aus lauter Begeisterung spontan den Geldbeutel zückten und künstlerische Positionen über lange Zeiträume hinweg begleiteten. Heute sei das anders: »Einen durch Begeisterung hervorgerufenen spontanen Kunstkauf gibt es so nicht mehr«, sagt er.

Trotzdem ist und war es ihm stets ein Anliegen, eben solche Begeisterungsmomente hervorzurufen — zunächst in der Kölner Südstadt, 1997 erfolgte der Umzug in die Maria-Hilf-Straße und seit achtzehn Jahren residiert die ­Galerie an der Aachener Straße. Rehbein hat selbst Kunst studiert, ging danach als Kreativdirektor in die Werbung. Irgendwann musste er feststellen, dass er die Szene spannender fand als seine eigene Ausstellungstätigkeit. Ihm liege vor allen Dingen das Vermitteln von Kunst. Das Kunststudium ­betrachtet er nichtsdestotrotz als Vorteil, könne man auf diese ­Weise doch besser Potenziale ­erkennen und nach eigenem Geschmack auswählen. Er pflegt ­viele Künstler*innenfreundschaften aus der eigenen Generation, zum Beispiel mit Rosemarie Trockel oder Georg Herold. Dieses Netzwerk hat nicht nur bei der Gründung der Galerie geholfen, sondern ist auch heute noch bei der Auswahl neuer Positionen entscheidend.

Seine Frau Sylvia Stulz-Rehbein stieg 2001 in die Galerie ein, sie kommt ursprünglich aus einem ganz anderen Tätigkeitsfeld. Sie studierte Jura, ist ausgebildete Gewandmeisterin und Kostümbildnerin. Beide teilen ein Interesse für narrative künstlerische Positionen. Das ist auch in der jüngst vergangenen Ausstellung von ­Mariele Neudecker deutlich geworden, die als künstlerische Forscherin poetische Bilder fragiler Natur erschafft.

Das Programm entwickelte sich zwischen zwei Polen weiter, wie Stulz-Rehbein erläutert: »Es gibt die narrativen Positionen, und dann die konzeptuellen Künstler wie William Anastasi und Dove Bradshaw. Anastasi war Mitbegründer der Minimal und Conceptual Art in den USA.« Ein Fokus des Programms liegt von Beginn an auf Internationalität: »Zuerst waren es Andres Serrano oder Shirin Neshat, die wir erstmalig in Deutschland gezeigt haben. Später kam auch abstrakte Malerei mit Positionen wie James Nares hinzu«, berichtet Rehbein.

In der Ankündigung zur letzten Ausstellung in den aktuellen Räumlichkeiten heißt es nun: »Es ist Zeit für Veränderung«. Was meint das? Die Volksbühne am Rudolfplatz ist Eigentümer des Hauses an der Aachener Straße. Während der Pandemie bot die Galerie dem Theater die Räume unentgeltlich als Spielstätte an. Innerhalb des Formats »One to One« spielten daraufhin je ein ­Musiker des Gürzenich Orchesters eine Viertelstunde lang für nur ­einen Besucher. Stulz-Rehbein: »Das war wirklich toll. Es zeigte, was alles in einem für Ausstellungen gedachten Raum möglich ist.« Der Volksbühne führte es allerdings vor allem die Qualität der Räumlichkeiten vor Augen: Sie meldete Eigenbedarf an.

Die Pandemie wurde somit zu einem harten Einschnitt für die Galerie. Noch mehr, weil die Rehbeins auch ihren Standort in Brüssel schweren Herzens aufgeben mussten. Stulz-Rehbein sieht es im Rückblick anders, aber »damals wusste niemand, wie lange die Pandemie dauern würde«. Trotzdem sind sie noch immer monatlich vor Ort in Belgien, nehmen jährlich an der Art Brüssel teil. Messen spielen laut Rehbein ohnehin eine zunehmend größere Rolle: »Sie werden immer wichtiger, da Galerien nur noch bei ­Eröffnungen und vielleicht noch zwei Wochen danach besucht werden. Dann muss die Messe Sichtbarkeit für die Originale schaffen.«

Mit über hundert ­Arbeiten in der ­Petersburger Hängung und einer ganztägigen Eröffnung wird der Abschied aus dem ­Belgischen Viertel ­zelebriert

Das Theater gab der Galerie zwei Jahre Zeit, um neue Räumlichkeiten zu finden. »Wir haben sehr lange gesucht, da unsere derzeitigen Räume in Köln eigentlich nicht besser sein könnten«, sagt der Galerist. Dem Abschiedsschmerz zum Trotz wird die letzte Ausstellung auf der Aachener Straße ein Paukenschlag. Denn die Thomas Rehbein Galerie zeigt von allen Künstler*innen, die jemals in den Räumlichkeiten ausgestellt haben, jeweils ein Werk. Rehbein: »Das soll die Bandbreite unseres Interesses zeigen, von Carl Andre über Rosemarie Trockel bis zu jungen Positionen wie Joëlle DuBois.«

Letztere haben die Rehbeins in Brüssel entdeckt. Sie hatte ­zuletzt eine große Einzelpräsentation im Neuen Aachener Kunstverein. Der Galerist berichtet stolz: »Auf der ersten Messe mit ihr ­haben wir die Koje innerhalb von drei Stunden ausverkauft.« Mit über hundert Arbeiten in der Petersburger Hängung und einer ganztägigen Eröffnung wird der Abschied aus dem Belgischen Viertel zelebriert. Für den folgenden Neuanfang bleibt die Galerie dem Standort Köln weiterhin treu. Denn obwohl der Mitbegründer des Galerienwochenendes DC Open und des heutigen Kunstvereins Temporary Gallery fehlende Unterstützung durch die Stadt beklagt, ist laut Rehbein »das Rheinland noch immer die lukrativste Region in Deutschland«.

So habe man nach langer Suche doch etwas gefunden: Ein kleines Eckhaus, unweit von der aktuellen Adresse, zweigeschossig, mit Schaufenster. Die Sichtbarkeit ist gegeben, allerdings sind die Räume wesentlich kleiner. Die Rehbeins berichten vom schwierigen Entscheidungsprozess: »Wir haben lange überlegt und diskutiert, ob wir das machen sollen. Vielleicht ist es aber auch notwendig, um konzentrierter zu arbeiten«. Ein Vorteil also? Das Ehepaar erzählt von der stark gewachsenen Bedeutung der Online-Präsenz von Galerien. Trotzdem schätze der über die Jahrzehnte gewachsene Sammler*innenstamm die Ausstellungen und klassische ­Medien, besonders die zu jeder Schau erscheinenden kleinen ­Publikationen.

Es ist alles etwas schwieriger geworden als es noch 1995 war. Keine Frage. Aber für Verdruss ist kein Platz. Auf die Frage, was sie jungen Galerien empfehlen würden, lautet Rehbeins Antwort kurz und prägnant: »Durchhalten«. Stulz-Rehbein führt aus: »Nicht den Mut verlieren und sich selbst und seinem Geschmack treu bleiben. Wir vermitteln am besten das, was wir selbst als wichtig und gut empfinden.«

Thomas Rehbein Galerie

Aachener Str. 5
»Dear Future Me — wir verabschieden uns in die Zukunft«
Eröffnung 26.10., 11–22 Uhr
Ausstellung bis 21.12., Di–Sa 11–13, 14–18 Uhr, Sa 11–16 Uhr