Keinen Appetit
Wie wir essen werden, wie vielseitig, wie bewusst, und mit wie viel Freude — das entscheidet sich in der frühen Kindheit. Das alles ist längst erforscht und bekannt.Doch das Essen in den meisten Kölner Kindertagesstätten ist dafür kaum geeignet.
Die Zahl adipöser Kinder steigt, Ärzte fordern die Politik zum Handeln auf. In Köln heißt es im Bündnisvertrag zwischen Grünen, CDU und Volt, man werde »mit wissenschaftlicher Unterstützung die Entwicklung und Erprobung wirksamer Interventionen zum Thema Adipositas bei Kindern in Auftrag geben« und »den Anteil an regionalen bzw. kontrolliert biologisch erzeugten Produkten in der Kita- und OGS-Verpflegung erhöhen.« Doch bislang gibt es kaum entsprechende Beschlüsse. Es scheint, Politik und Verwaltung haben keinen Appetit auf das Thema. Sie sorgen sich darum, überhaupt genug Kita-Plätze bereitstellen zu können. Zudem sind Erzieherinnen und Erzieher schon jetzt oft überlastet. Ernährungspädagogik gibt es bloß, falls noch Zeit ist, und beschränkt sich dann oft auf die obligatorische »Ernährungspyramide«. Und viele Eltern, die ihr Kind aus der Kita abholen, wollen wissen, ob ihr Kind gegessen hat — aber nicht, was. Hauptsache, satt.
Etwa 16.600 warme Mahlzeiten werden in den rund 230 städtischen Kitas wochentags verabreicht. Gerade hat die Politik beschlossen, dass sie ab Februar teurer werden: 4,40 Euro statt wie bislang 2,50 Euro pro Essen — gut 75 Prozent mehr. Begründet wird das mit Preissteigerungen bei Lebensmitteln. Die wurden bislang vom Land NRW aufgefangen. Nun kommt auf die Eltern die erste Erhöhung seit 2011 zu.
Dass das Kita-Essen irgendwann auch mal besser und nachhaltiger wird, daran arbeitet der Ernährungsrat Köln und Umgebung, ein Verein, der unter anderem von der Stadt Köln unterstützt wird. »Die Versorgung der städtischen Kitas wird europaweit ausgeschrieben«, sagt Geschäftsführer Florian Sander. »Dabei kommt dann der zum Zuge, der überhaupt solche Mengen liefern kann — das sind nur die großen Caterer.« Die bieten dann etwa Cook-and-chill-Mahlzeiten an, die in den Kitas im Konvektomaten aufgewärmt werden. Regional und nachhaltig ist das nicht, und Freude am Essen entwickeln Kinder so auch nicht. »Unser Ziel ist es, dass künftig die Kriterien bei Ausschreibungen anders gesetzt werden«, sagt Sander. Andere Städte verankerten zum Beispiel Regionalität der Lebensmittel in der Ausschreibung. Aber der bürokratische Aufwand ist hoch. »Einfacher ist es, bei Trägern anzusetzen, die vielleicht nur 30 Kitas in Köln betreuen«, sagt Sander. »Die haben kürzere Entscheidungswege und können auch mal etwas ausprobieren.«
»Oft ist das Thema Ernährung vor allem mit einer Person in der Kita verbunden, die sich dafür engagiert«, sagt Pia Quadt vom Ernährungsrat. »Um in Kitas aber langfristig Ernährungsbildung und Regionalität zu etablieren, müssen Träger entsprechende Strukturen schaffen.« Eben das ist jetzt Teil eines neuen Projekts, das Quadt koordiniert und für das als Träger die Arbeiterwohlfahrt, der Sozialdienst Katholischer Männer und der Paritätische Wohlfahrtsverband gewonnen werden konnten. »Zudem haben wir aus einem Vorgängerprojekt gelernt, dass wir noch anders ansetzen müssen — und zwar schon bei der Ausbildung«, so Quadt. Zwei Berufskollegs für Erziehrinnen und Erzieher haben zugesagt, ein vom Ernährungsrat eigens konzipiertes curriculares Modul zur Ernährungsbildung auszuprobieren und zu evaluieren, damit es künftig allen Berufskollegs zur Verfügung steht. »Die waren auch dankbar, dass dazu Input von außen kommt und haben sich gern auf diese Kooperation eingelassen«, so Quadt. Spätestens Anfang Dezember soll es losgehen. »Dann können wir Unterrichtseinheiten an Berufskollegs in Sülz und Westhoven umsetzen, wo Erzieherinnen und Erzieher auf ihre Prüfung vorbereitet werden.« Bislang gebe es nicht in allen Einrichtungen in Köln ein verbindliches pädagogisches Ernährungskonzept, sagt Quadt.
Es ist ein Anfang. Um Ernährungsbildung als festen Bestandteil der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern zu verankern, sagt Pia Quadt, brauche es mehr Sensibilisierung der Kitas, diese Kompetenzen auch nachzufragen — erst dann würden sicher auch irgendwann die Ausbildungseinrichtungen nachziehen.