Wartet gelassen auf die Stürme der Gegenwart: Ebow

Liebeserklärung an alle Chayas

Zeitgemäßer HipHop ist feministisch und queer — darauf besteht Ebow

»Hey, was geht, das ist der Anrufbeantworter von FC Chaya / Falls du nen Crush hast, drück die 1 / Falls du Herzschmerz hast, drück die 2 / Falls du Gästeliste brauchst, drück die 3«: So beginnt der erste Song »Forever« auf Ebows fünftem Soloalbum »FC Chaya«. Er liefert eine Art Matrix für die darauf ­folgende flirty halbe Stunde ­Mischung aus R&B, Old School Beats und Storytelling.

Ebru Düzgün alias Ebow, 1990 in München geboren, macht Musik seit 2005, angefangen als Queen Styles, gehört die studierte Architektin heute zu den relevantesten Deutschrapperinnen. Mit ihrem ohne Label veröffentlichten »FC Chaya« ist ein Album der queeren Liebeserklärungen auf den Markt gekommen. Sie hat damit das wohl erste offen queere deutsche R&B/HipHop Album rausgebracht, das sich mit lesbischen und queeren Beziehungen in migratisierten Kontexten beschäftigt, und wird zum Vorbild reflektierter Selbsteinordnung, wenn sie rappt: »Bin ein toxischer Kanake obwohl ich woke bin … bin queer und woke und trotzdem Kurdin«.

Im Interview mit dem Missy Magazin erklärt Ebow: »Chayas können straight sein, die können queer sein, sie können cis sein oder auch nicht. Ich finde es nice, den Begriff aus dem cis-hetero Kontext rauszureißen.« Der »cis-hetero Kontext« bedeutet hier das bisher klassische Bild, bei dem nicht-trans-Personen ein heterosexuelles Paar bilden. Ebow kontextualisiert neu: Chayas, also begehrenswerte Frauen, werden auf unterschiedlichste Weise beschrieben, bewundert und besungen — auf eine respektvolle, interessante und sexy Weise. Die Bezeichnung Simp, die im Internet-Slang abwertend Männer bezeichnet, die Frauen zu viel Aufmerksamkeit und Mitgefühl zeigen, wird in Ebows Song »Big Simpin« positiv konnotiert. Bewundernde und gönnerhafte Gesten des Simps müssen keine Schwäche markieren: »Bin ich ein Simp, komm und nimm, was du willst« wirkt hier lässig und flirty ohne auf die Abwertung der begehrten Person zu bauen.

Sanfte Töne wechseln sich ab mit Tanzbarem und Conscious Rap. Queere Lovesongs wie »Juicy« und »BigSimpin« stehen neben Hits wie »Lesbisch« und »Chayas Überall«, die so catchy sind, dass man Lust auf die nächste feministische Demo bekommt, für die sich viele Lieder auf dem neuen Album als Soundtrack anbieten. Ein Album, das Lust auf Verlieben macht. 

Tonträger: Ebow, »FC Chaya«, (Garip Werkstätten), ist bereits erschienen