Von Duschanbe nach Bayern
Der 1989 in Moskau geborene Danila Lipatov ist der diesjährige Preisträger des Chargesheimer-Stipendium für Medienkunst der Stadt Köln. Kollektives Arbeiten und das Hinterfragen von Autorschaft spielen eine zentrale Rolle im Werk Lipatovs. Persönliche Geschichten verweben sich mit Fakten und Fiktionen, entwerfen queere Räume und hinterfragen etablierte Ordnungen.
Für sein Diplomfilmprojekt »Elbows in Shatters« recherchierte er seine Familiengeschichte, eine Transit- und Migrationsgeschichte der 90er Jahre zwischen Tadschikistan und Bayern, und stieß auf eine Art »Safe Space«, auf das Jugendzentrum »Bactria« in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe. Eine Frage, die Lipatov bei der Entstehung des Films »Elbows in Shatters« antrieb, war: Wie können Film/Video, Performance und Musik als künstlerische Medien zu einer Art Schutz werden für prekäre oder marginalisierte Lebensweisen?
Durch Corona und den Ausbruch des Angriffskrieges auf die Ukraine brutal beeinflusst, entwickelte sich das Projekt mehr und mehr zu einer Gemeinschaftsarbeit mit den Jugendlichen. Es entstanden eine Foto-Ausstellung im Garten des Zentrums, eine performative Lesung, eine Rave-Party. Die gemeinschaftliche Kommunikation vernetzte die Jugendlichen untereinander. Sie diskutierten über Feminismus, Aussehen und Andersheit und entschieden, dass sich alle dasselbe Piercing stechen lassen. Themen waren jedoch auch die Veränderung des städtischen Raumes in Duschanbe durch Bürgerkrieg und radikale Modernisierung sowie deren heute noch sichtbaren Spuren.
Lipatov bewegt sich fließend zwischen den verschiedenen Kulturen, bereits in seinem Studium der Translationswissenschaft in Moskau übertrug er deutsche Gegenwartsliteratur ins Russische. Zwischen 2016 und 2023 studierte er an der Kölner Kunsthochschule für Medien. Sein neues Projekt, »Enchanted Islands«, ist zugleich die Preisträger-Ausstellung, die im Dezember im »Glasmoog« installativ präsentiert wird und in Zusammenarbeit mit Karen Zimmermann entstanden ist. Hier widmet er sich einem sowjetischen Pantomimestück des queeren Dichters Evgenij Charitonov aus den 1970ern. Erneut stehen der Entstehungsprozess und kollektives Arbeiten im Zentrum und soll der Autor mehr und mehr in Vielstimmigkeit verschwinden.
Glasmoog — Raum für Kunst & Diskurs.Heumarkt 14, 4.12.–24.1.25, Di–Fr, 14–19 Uhr