Gruselige Reinigung
»Glücklicherweise sind der Kopf und die Hände der Figur noch erhalten sowie zumindest auch Spuren der als Strichzeichnung angelegten Sprayzeichnung«, schrieb die Stadt Köln im September zu ihrem prominentesten Graffito nach dessen ungeplanter Reinigung. Die Rede war von dem Skelett, das der Schweizer Künstler Harald Naegeli (*1939) 1980 mit schwarzer Sprühfarbe auf dem zugemauerten Westportal der ehemaligen Klosterkirche St. Cäcilien platziert hatte. Eine kuriose architektonische Situation. Derlei fand Naegeli bei seinem ersten Köln-Besuch 1979 noch weitere — und damit würdige Orte für zahlreiche fantastische Gestalten, Totenköpfe und Skelette.
In seiner Heimat war der »Sprayer von Zürich« da bereits entlarvt. 1981 verurteilte man ihn wegen wiederholter Tat und Flucht ins Ausland zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe. Der Urteilsspruch fand in Abwesenheit statt. Drei Jahre später stellte sich Naegeli schließlich den Behörden. Seinem Verständnis nach protestierte er bloß gegen die zunehmende Tristesse der Städte.
In der deutschen Kulturszene fand er Beistand. Auch im Kölnischen Kunstverein, der damals noch vis-à-vis von St. Cäcilien zuhause war. Die Ausstellung »Eine andere Malerei« vereinte 1982 Naegelis Gerippe in einer Fotodokumentation zum Kölner Totentanz. Die Wände im Kunstverein besprühte Frederick Brathwaite, der junge Star der New Yorker Graffiti-Szene.
Die letzte in Köln erhaltene Sprayzeichnung Naegelis war das Skelett an der Cäcilienkirche, die seit 1956 als Ausstellungsraum des Museum Schnütgen dient. Das Museum schätzte den sinnfälligen Bezug zu den mittelalterlichen Memento Mori in seiner Sammlung und adoptierte das Klappergerüst als »Kunst am Bau«.
Durch die Jahrzehnte hatte das Skelett allerlei Attacken überlebt, wurde immer wieder gereinigt und konserviert, 1989 vom Künstler rundum erneuert. Inzwischen war es verblasst und eine Reinigungsaktion der AWB machte dem Skelett nun den Garaus. Der heute 94-jährige Harald Naegeli kann nicht mehr antreten und hat schon 2010 entschieden, dass es »so bleiben (oder werden) [solle] wie die Zeit es eben mitnimmt«. Street-Art-Führungen hatten in der Zwischenzeit zu gesteigerter Popularität geführt. Womöglich ein weiterer Grund, warum für das Schnütgen außer Frage steht, dass das Skelett restauriert werden soll.