Blick für das Zauberhafte: Amadú Daafé, Foto: Libia Florentino

Immer diese ­Wider­sprüche

Amadú Dafé reflektiert in ­»Jasmim« die Identität einer Dorfgemeinschaft in Guinea-Bissau

»Wenn das Leben nicht gut läuft, kann es bisweilen helfen, alles ordentlich durchzurühren, weil der Zucker doch meistens auf dem Grund liegt.« Oder: »Ohne den Geist der Solidarität und den Sinn für Gemeinschaft ist kein Raum für Glück«, sind nur zwei der unzähligen Weisheiten und philosophischen Betrachtungen in Amadú Dafés drittem Roman »Jasmim«, der in diesem Jahr von Rosa Rodrigues aus dem Portugiesischen ins Deutsche übersetzt wurde.

Fé, ein junger Mann von den Kapverden und Protagonist des Romans, ist auf der Suche nach seiner Mutter, die die Familie früh verließ, um ihr Glück mit einem anderen Mann zu finden. Auf der Suche zieht es ihn in ein Dorf im Norden Guinea-Bissaus, denn: »Solange ich denken kann, erzählte man sich, dass Ingoré ein Dorf voller Geheimnisse war, wo sich für jedes Problem eine Lösung fand, im Guten wie im Schlechten.« Dieses verwunschene Dorf und der Glaube seiner Bewohner:innen an Zauberer, Geister und Hexenmeister, bringen Fé zum Rätseln und Nachfragen. Zur Antwort bekommt er meist Widersprüchliches, Rätselhaftes oder Gegenfragen.

Immer wieder herrschen ­Tumult und Verwirrung in der als atemberaubend schön beschriebenen Landschaft am Ufer des Flusses Rio Jasmim. Denn ­jeder Krankheitsschub und jedes auffällige Verhalten von Tieren kann als Zeichen für einen Machtkampf zwischen den Zauberern gelesen werden. Zur Beantwortung von Fés vielen Fragen trägt ebenfalls nicht bei, dass er eine tiefe Seelenverbundenheit zu einer Frau entdeckt, die die meisten im Dorf meiden. Denn es herrscht das Gerücht, ihr verstorbener Mann habe einen Pakt mit einem der Irãs — der lokalen Flussgeister — geschlossen. So scheint auch sie verzaubert. Mehr über sie ­herauszufinden, erweist sich für Fé als schwierig.

Eine fesselnde Geschichte über Anziehungskraft, Identität und Glauben entfaltet sich. Überlegungen zu Hoffnung und Religion erklären den Zusammenhalt einer Dorfgemeinschaft und ihre Ausschlusskriterien. Das verrätselte wie philosophische Buch entwickelt mit falbelähnlichen Episoden neben dialogintensiven Kapiteln und Landschaftsbeschreibungen einen märchenhaften und verwunschenen Ton. Amadú Dafé ist eine aufregende Stimme portugiesischer Literatur.

Amadú Dafé: »Jasmim«, Leipziger ­Literaturverlag, 196 Seiten, 19.95 Euro