Kürzt Köln sich kaputt?

Am 14. November legt die Stadtkämmerin dem Rat den Haushaltsentwurf für die ­kommenden ­beiden Jahre vor. In vielen ­Bereichen ­stehen ­drastische Kürzungen an. Das betrifft auch und vor allem die sozialen ­Bereiche der Stadt. Wir haben mit ­denen gesprochen, die gerade nicht mehr weiter ­wissen, wie sie helfen sollen, wenn bald das Geld fehlt

So schlimm war’s lange nicht. Da sind sich alle im Rathaus einig, wenn sie auf den Haushalt für die Jahre 2025 und 2026 schauen. Sogenannte freiwillige Leistungen müssten gekürzt oder sogar gestrichen werden, ist zu hören. Neue Ausgaben oder die Erweiterungen von Angeboten stünden auf dem Prüfstand, so Stadtkämmerin Dörte Diemert bereits im Juni; daher würden »verbindliche Reduktionspfade festgelegt«. Die Kölner Kämmerei nennt viele Gründe für die Haushaltslage: die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, die Auswirkungen des Ukrainekriegs, Kostensteigerungen im sozialen Bereich, bei den städtischen Kliniken und Schulen, aber auch höhere Zinsen und Tarifabschlüsse für städtische Mitarbeiter.

Soziale Träger und der Kulturbetrieb sind längst aufgeschreckt, sammeln Unterschriften gegen Kürzungen oder demonstrieren vor dem Rathaus. Die Rede vom »Kahlschlag« und der »Zerstörung gewachsener Strukturen« macht die Runde. Und das alles vor dem Hintergrund, dass die Stadt Köln immer weiter ein Milliarden-Grab mit der Sanierung der Oper schaufelt und einen ­U-Bahn-Tunnel durch die City buddeln will, obwohl keiner weiß, wie teuer das die Stadt zu stehen kommt. Lassen sich solche Projekte rechtfertigen, wenn demnächst bei Obdachlosen, ­Geflüchteten und in der Jugendarbeit gekürzt wird?

Das Bürgerzentrum Engelshof in Westhoven bietet kulturelle und soziale Angebote für ein breites Publikum.Mitte der 70er Jahre bewahrte eine Initiative die große Hofanlage vor dem Abriss und gründete ein soziokulturelles Zentrum. Der Engelshof ist heute ein wichtiger sozialer Treffpunkt und tief verankert in Westhoven und Porz.

Auf dem Programm steht etwa »Politik im Veedel«, aber auch Gärtnern, Tanz für Senioren, das Eltern-Kind-Café, eine Mädchengruppe und nicht zuletzt Kinderfreizeiten.

Noch heute engagieren sich dafür Menschen, die schon in den 90er Jahren im Engelshof aktiv waren, erzählt Heinke Groll. Das gehöre zum »Spirit« des Hauses, einem von mittlerweile 14 Bürgerzentren in Köln. Groll ist ehrenamtliche Schatzmeisterin des Engelshofs: »Als Rentnerin war es mir zu langweilig, zu Hause herumzusitzen. Da dachte ich, wenn Du in Porz wohnst, dann guck doch mal im Engelshof vorbei.«

Jetzt kommen schwierige Zeiten auf sie und den Engelshof zu. Die anstehenden Kürzungen machen vor den Bürgerzentren nicht Halt — obwohl deren Bedeutung in Politik und Verwaltung längst anerkannt sei, so Groll. »Schließlich fördern wir Toleranz, Demokratie und Zusammenhalt, auch über Generationen und kulturelle Zusammenhänge hinweg.« Das zu gewährleisten, sei aber schon jetzt schwierig. »Vom gesamten Haushalt des Bürgerzentrums Engelshofs sind 28 Prozent Betriebskostenzuschuss der Stadt Köln. Davon bezahlen wir Personal, Energie, Kosten für den Kinder- und Jugendbereich«, so Heinke Groll. »Die anderen gut 70 Prozent müssen wir erwirtschaften, um den sozialen und kulturellen Bereich zu finanzieren.« Die Trödel- und Handwerkermärkte im Innenhof sind eine wichtige Einnahmequelle, dazu kommen Raumvermietungen.

Aber man könne nicht einfach mehr Miete verlangen, sagt Groll. »Wir wollen auch Menschen hier haben, die keine hohen Raummieten zahlen können, um einen Geburtstag zu feiern oder einen ­Gruppentreff zu organisieren.« Spendenaufrufe gebe es, manche Eltern zahlten auch freiwillig etwas mehr für die Kinderfreizeit. Aber das sei eben keine sichere Einnahmequelle. »Wir werden oft von der Stadt gefragt, wo wir noch Einsparmöglichkeiten sehen«, sagt Groll. »Aber es geht einfach nicht mehr, wenn wir noch eine soziale Aufgabe erfüllen wollen. Und neue Einnahmen generieren wir die ganze Zeit.«

Der Kontakt in Politik und Verwaltung sei eigentlich gut, so Groll. Jeden Monat treffen sich die Vertreter der 14 Bürgerzentren mit der städtischen Abteilungsleiterin, die im Sozialamt für sie zuständig ist. Die meisten Bürgerzentren hätten zudem einen Beirat, sagt Groll, besetzt mit Vertretern der Bezirkspolitik, aber auch der Nutzergruppen. Dort tausche man sich aus, plane Veranstaltungen. Groll zeigt Broschüren, die die Arbeit der Bürgerzentren dokumentieren. Darin wird auch die »in den Jahren gewachsene, strukturelle Unterfinanzierung der Bürgerzentren« thematisiert.  Eine von Politik und Verwaltung in Auftrag gegebene Studie habe gezeigt, dass die Bürgerzentren »zur Gewährleistung ihrer Standardaufgaben« zusammen 5,4 Mio. Euro benötigten, derzeit sind es 3 Mio. Euro.

»Die Untersuchung hat sicher nicht wenig Geld gekostet und war für die Bürgerzentren zeitlich aufwändig. Und jetzt gibt es trotzdem weniger Geld? Das kann doch nicht sein«, sagt Groll. »Es ist kurzsichtig, im sozialen Bereich zu kürzen, etwa bei der Jugendarbeit. Was man jetzt spart, zahlt man für die Folgekosten mehrfach drauf.« Eine Unterschriftenkampagne der Bürgerzentren läuft bereits, sagt Groll und zeigt auf die Zettel, die ausliegen: »Viele unserer Besucher stellen jetzt zum ersten Mal fest, dass wir gar nicht alles von der Stadt bezahlt bekommen, sondern gut 70 Prozent erwirtschaften müssen.«

Die Bürgerzentren sind als »Kölner Elf« gut organisiert, sprechen mit einer Stimme, halten Kontakt in die Sozialverwaltung, und in ihren Beiräten sitzen oft Politiker, die Einfluss nehmen können. Und: Ihr Angebot ist vielfältig, richtet sich an ein breites Publikum. Wie aber ergeht es kleineren Projekten, die sich spezialisiert haben?

Die Altenpflegerin und traumazentrierte Fachberaterin Martina Böhmer hat 2012 den Verein Paula e.V. gegründet, um Frauen ab 60 zu helfen, die durch Gewalt, sexualisierte Gewalt oder Krieg traumatisiert sind. Paula e.V. ist bundesweit die einzige Anlaufstelle dieser Art; hier werden auch Angehörige und Einrichtungen zu dem Thema geschult.

46 Jahre war Heidrun Müller (Name geändert) verheiratet und wurde immer wieder von ihrem Ehemann miss­handelt. Als Müller Anfang des Jahres zum wiederholten Mal mit mehreren Brüchen ins Krankenhaus eingeliefert wurde, wurde ihr dort die Beratung von Paula e.V. empfohlen. Das Angebot ist kostenlos, eine ärztliche Überweisung ist nicht nötig.

Ein paar Mal war die 68-Jährige nun schon zum Gespräch in den kleinen Räumen in der Südstadt. Sie habe sich zuvor nie jemandem anvertraut, erzählt sie. Immer habe sie alles ertragen, um der Kinder willen, und weil sie sich geschämt habe, auch wenn sie doch wusste, dass sie unschuldig an ihrer Situation war. »Ich schleppe die Erfahrungen schon so lange mit mir rum«, sagt sie. Immer wieder macht sie Pausen, holt Luft, ihre Stimme ist brüchig. »Schon in den wenigen Sitzungen habe ich Dinge gezeigt bekommen, die ich mein Leben lang nicht so erkannt habe.« Die Gespräche gäben ihr Kraft, sagt Müller. »Ich habe endlich das Gefühl, dass ich nicht weggedrückt werde, dass ich nicht alleine bin und ich weiß: Ich bin nicht verloren.«

Aber die Finanzierung von Paula e.V. läuft Ende des Jahres aus. »Ich befürchte, wir sind die ersten, die gestrichen werden«, sagt Denise Klein, die mit einer halben Stelle die einzige angestellte Mitarbeiterin ist. Zunächst förderte eine Stiftung den Verein, dann lief das Modellprojekt 2024 aus. Der städtische Haushalt war schon verabschiedet, aber der Stadtrat bedachte Paula e.V. mit einem sogenannten politischen Veränderungsnachweis nachträglich mit Projektgeldern. Damals machte die Initiative gerade von sich reden, weil Vereinsgründerin Martina Böhmer den Ehrenamtspreis der Stadt Köln erhalten hatte; auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker besuchte damals den Verein.

Auch jetzt wäre wohl ein eindeutiger politischer Wille durch eine nachträgliche Förderung die einzige Chance für Paula. Doch der Stadt Köln steht deutlich weniger Geld zur Verfügung als noch vor zwei Jahren — um nach Verabschiedung des Haushalts Kürzungen im Nachhinein abzumildern oder neue Projekte und Initiativen zu fördern. Und selbst wenn Paula e.V. noch berücksichtigt würde, geschähe das erst im April.

Der Grund ist: Die Stadtkämmerin konnte den Entwurf für den Doppelhaushalt 2025/26 nicht rechtzeitig dem Stadtrat vorlegen. Das umfangreiche Zahlenwerk wird deshalb erst Mitte November in den Rat gehen. Eigentlich geschieht das nach der Sommerpause, damit die Politik rechtzeitig darüber beraten und den Haushalt verabschieden kann. Sechs Wochen später liegt normalerweise die Genehmigung der Bezirksregierung vor — noch im laufenden Jahr.

Doch nun wird die Politik bis Februar brauchen. Daher geht Köln zum 1. Januar in die sogenannte vorläufige Haushaltsführung: Die Stadt darf nur noch Geld für rechtlich verpflichtende Aufgaben ausgeben. Um Träger und Initiativen nicht zu gefährden und bestehende Strukturen zu erhalten, wurden früher in solchen Fällen bis zur Haushaltsgenehmigung Abschläge an die Einrichtungen gezahlt, die sich an den Leistungen des Vorjahres orientierten.

Aber das soll es dieses Mal nicht geben. Die Opposition wollte Verträge mit den Einrichtungen abschließen, um die Zeit bis zur Verabschiedung des Haushalts zu überbrücken. Kämmerin Dörte Diemert warnte davor; solche Tricks könnten die Genehmigung des Haushalts durch die Bezirksregierung gefährden. Und so bleibt es dabei, dass Anfang ­Januar viele Träger noch nicht wissen werden, wie es weitergeht. Das soziale Köln ist nicht nur gefährdet, sondern die, die es täglich ermöglichen, sind derzeit auch völlig ratlos.

»Was soll ich den Frauen sagen? Ich weiß selbst nicht, wie es weitergeht«, sagt Denise Klein von Paula e.V. Ende des Jahres erhält sie kein Gehalt mehr, die Miete läuft aber weiter. Schon mehrfach hat Gründerin Martina Böhmer Eigenkapital in das Projekt gesteckt. Das sei bei vielen kleinen, ­autonomen Projekten so, sagt Denise Klein. »Da wird auch die Leidenschaft der Mitarbeitenden ausgenutzt.«

Im ersten Halbjahr dieses Jahres hat Paula e.V. rund 60 Frauen beraten und traumasensibel begleitet. Gemessen an der Nachfrage müssten bei Paula e.V. die Stellen sogar aufgestockt werden, sagt Klein. Die Arbeit mit Frauen, die sich aktuell in einer Gewaltsituation befinden, brauche viel Zeit: »Die Frauen sind in einem starken, lange gewachsenen Abhängigkeitsverhältnis, auch finanziell.« Sie geht von einer hohen Dunkelziffer aus, weil die betroffenen Frauen häufig Scheu haben, sich anzuvertrauen. »Wenn sie ihren Mann doch anzeigen, wird ihnen oft nicht geglaubt. Es heißt dann, der Mann ist doch schon so alt.«

Denise Klein hat schon immer im Gewaltschutz gearbeitet, erst mit geflüchteten, jetzt mit älteren Frauen. »Unsere Klientinnen haben keine Lobby«, sagt sie. »Es gibt keine Aktivistinnen, für das Thema geht niemand auf die Straße.« Es gebe keinen anderen Träger, der ihre Arbeit auffangen könnte, sollten sie Ende des Jahres schließen müssen.

Das Gewaltschutz- und Hilfesystem in Köln sei fast ausschließ­lich über freiwillige städtische Leistungen ­finanziert, außer­dem durch Spenden und Stiftungsgelder. Denise Klein fordert deshalb eine Regelfinanzierung. »Wir schreiben Anträge, legen Modellprojekte auf, in­stallieren Strukturen. Dann läuft das Projekt endlich an — ­nur um kurz darauf schon wieder auszulaufen.«

Paula ist nicht das einzige Projekt im Gewaltschutz, dessen Finanzierung gefährdet ist. Auch bei Agisra, der Beratungsstelle für geflüchtete Frauen, könnte eine halbe Stelle im Bereich häusliche Gewalt gekürzt werden, obwohl auch dort die Nachfrage hoch ist. Auch steht »Edelgard«, ein 2018 initiertes Projekt gegen sexualisierte Gewalt im öffentlichen Raum, auf der Kippe. Denn Ende des Jahres läuft die Finanzierung der Koordinierungsstelle aus, nach eigenen Angaben fehlen 65.000 Euro. Bei der Sessionseröffnung am 11.11. sind die Mitarbeiterinnen noch unterwegs, um Mädchen und Frauen Hilfe anzubieten. Wie es an Karneval im Februar aussieht, ist ungewiss.

Aber nicht nur kleine Initiativen und befristete Projekte könnten dem Sparzwang zum Opfer fallen, auch große Sozialverbände machen sich Sorgen. So ist etwa das Programm »Bleibeperspektiven in Köln« bedroht,
das der Kölner Flüchtlingsrat zusammen mit Diakonie, ­Caritas, Rom e.V. und Ausländeramt organisiert.

Es richtet sich an die große Zahl von Geflüchteten oder Migranten, die seit langem in Köln leben, aber nur »geduldet« werden. Das Programm soll ihnen dabei helfen, die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis »aufgrund von nachhaltiger Integration« zu erlangen — dafür sind zum Beispiel Deutschkenntnisse oder ein Job wichtig. In vielen Fällen fehlt dafür aber auch schlicht ein Pass — so wie bei Abdel Saidi (Name geändert), der seit dreißig Jahren in Köln lebt.

Saidi wuchs in Algerien auf. Nachdem sein Asylantrag in Deutschland abgelehnt wurde, war er eine Zeitlang obdachlos und lebte in Asylunterkünften. Er hangelte sich von Duldung zu Duldung und bekam schließlich einen Job als Reinigungskraft. Eine Aussicht auf eine ­Aufenthaltserlaubnis hatte er dennoch nicht — weil der Pass fehlte. Dann wurde er 2019 ins Bleiberechtsprogramm aufgenommen. Mehrmals sprach seine Beraterin Valen­tine Tiltmann vom Kölner Flüchtlingsrat mit dem algerischen Konsulat und erreichte schließlich, dass man Saidi einen Notfallpass für ein Jahr ausstellte — damit bekam dieser nach 28 Jahren Duldung zum ersten Mal eine Aufenthaltserlaubnis. »Es ist, wie wenn du als Tier unter der Erde lebst, und auf ­einmal ist da Licht. Du bist frei«, so schildert es ­Saidi. »Ich bin jetzt ein Mensch, ich kann reisen und meinen Neffen in Frankreich besuchen.« »Ohne Valentine«, seine Beraterin, »hätte ich das nicht geschafft«, glaubt er.

Oft gelingt es Valentine Tiltmann, den Menschen aus der bürokratischen Zwickmühle zu helfen. So gibt ihnen das Ausländeramt keine Aufenthaltserlaubnis, weil sie keinen Pass haben — und die Botschaft verweigert den Pass, weil die Aufenthaltserlaubnis fehlt. Doch Tiltmann hält ­etwas anderes für noch wichtiger: »Dass die Menschen endlich wieder Vertrauen aufbauen und Hoffnung schöpfen, dass sich an ihrer Lage doch noch etwas ändern kann.«

Es gibt weit mehr als tausend Menschen in Köln, die seit mindestens acht Jahren geduldet werden, bei einigen sind es sogar vierzig. Manche werden bereits in die Duldung hineingeboren. Eine Duldung bedeutet: Die Person ist »ausreisepflichtig«, die Abschiebung nur vorübergehend ausgesetzt, zwischen einer Woche und sechs Monaten. Wer aber am Bleiberechtsprogramm teilnimmt, kann zunächst einmal nicht abgeschoben werden. »Das gibt den Menschen genug Sicherheit, um die nächsten Schritte gehen zu können«, so Tiltmann.

Im Mai 2024 waren 1302 Menschen im Bleibeperspek­tiven-Programm; von 2021 bis 2023 bekamen 560 Teilnehmer dadurch eine Aufenthaltserlaubnis. Das ist nicht nur gut für die Teilnehmer, sondern auch für den Haushalt der Stadt Köln: Denn während Geduldete, die ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht vollständig selbst bestreiten können, Leistungen vom Sozialamt erhalten, ist das Jobcenter und damit der Bund für diejenigen zuständig, die eine Aufenthaltserlaubnis haben.

Köln ist die erste Stadt, die ein solches Bleiberechtsprogramm ins Leben gerufen hat. Seither werden Tiltmann und ihre Kolleginnen immer wieder von anderen Kommunen eingeladen, davon zu berichten. Trotzdem steht das Vorzeigeprogramm auf der Kippe. Laut Ratsbeschluss soll es noch bis Ende 2025 laufen. Doch der kommende Haushalt, der viele Einsparungen bedeuten wird, umfasst auch das Jahr 2026. Neben der halben Stelle von Valentine Tiltmann beträfe dies weitere viereinhalb Stellen bei Diakonie, Caritas, Rom e.V. und dem Kölner Flüchtlingsrat.

Claus-Ulrich Prölß ist seit 25 Jahren Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats und ein Routinier im Haushaltsstreit. Dass er um Projekte bangen muss oder Stellen seiner Mitarbeiter erst im letzten Moment verlängern kann, kennt er gut. Doch immer seien die Träger während dieser Zeit mit Verwaltung und Politik im Gespräch gewesen. »In großen Fragen gab es einen Konsens«, so Prölß. In diesem Jahr jedoch gebe es »keinerlei Signale aus der Verwaltung gegenüber den Trägern, die ja Arbeit im Auftrag der Stadt und zum Wohle der Menschen hier leisten«. Auch von der Politik fühlt er sich im Stich gelassen. Nun musste Prölß 36 seiner 54 Mitarbeiter auffordern, sich arbeitssuchend zu melden. Einige hätten den Flüchtlingsrat bereits verlassen. Insgesamt, hat Prölß ausgerechnet, stehen im Bereich Integration und Flucht 90 Vollzeitstellen in Köln auf der Kippe.

Neben dem Bleiberechtsprogramm könnte auch mit dem Anonymen Krankenschein bald Schluss sein, der Menschen ohne Krankenversicherung eine ärztliche Versorgung ermöglicht, sowie mit der Beratung für Menschen ohne Papiere. Bei der Unterbringung von Geflüchteten hat Köln sich Mindeststandards auferlegt — auch diese laufen Ende des Jahres aus. Auch könnte es das Projekt »Brückenbauer« treffen, das an Schulen Workshops zu den Themen Flucht und Diskriminierung durchführt. Der Bedarf an Kölner Schulen, die einen erheblichen Teil der Integra­tionsarbeit von Geflüchteten leisten, ist riesig; die Workshops sind bis Mitte des kommenden Jahres reserviert — doch ob sie stattfinden können, ist völlig ungewiss. Zusätzlich stehen in der Flüchtlingshilfe Kürzungen von Landes- und Bundesmitteln an. »Bei allem, was wir tun, geht es letztlich auch um die Bekämpfung des Rechts­extremismus und den Schutz der Demokratie«, sagt Prölß. Es mache ihn »fassungslos«, dass man in der derzeitigen politischen Lage im Bereich Integration kürze. »Die Streichungen werden nachhaltige Folgen haben für den Zusammenhalt der Gesellschaft.«

Dass die Politik auch mal Projekte infrage stelle und nicht jede Förderung per se gut sei, das gibt selbst Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat zu. »Die Forderung nach Evaluation ist gut«, sagt er. »Aber dann muss das auch mal passieren!« Träger erstellen zwar Verwendungsnachweise und loben ihre Projekte in Sachberichten. Aber ob diese Berichte den Tatsachen entsprechen, kontrolliert niemand. »Das würden wir aber für sehr wichtig halten«, sagt Prölß. »Denn wenn eine Förderung nicht wirkt, kann man sie sich wirklich sparen.« Welche Kriterien aber im diesjährigen Haushaltsstreit darüber entscheiden, ob ein Projekt weitergeführt wird oder nicht, ist unbekannt.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass bestimmte Träger und Initiativen, auch einzelne Projekte, mit bestimmten Parteien verknüpft sind. In den Haushaltsberatungen wird dann eben nicht nur auf die gesamte Situation der Stadt geschaut, sondern auch darum gekämpft, die Förderung bestimmter Träger und Projekte durchzusetzen. Im Stadtrat mühte sich die Politik Anfang Oktober immerhin, ein geeintes Bild abzugeben: Die freiwilligen Leistungen seien »der Kitt, der die Stadt zusammenhält«, hieß es da. Aus »Anlass der vorläufigen Haushaltsführung« sollen »keine strukturellen Einbrüche in die Finanzierung der Tätigkeit der freien Träger erfolgen« — dieser Satz steht in einem von allen demokratischen Fraktionen getragenen Antrag. Doch wie viel wird dies am Ende wert sein? Die Stadt werde die rechtlichen Möglichkeiten zum Schutz »der Strukturen im freiwilligen Bereich, die dauerhaft benötigt werden und auf Fortführung angelegt sind«, ohnehin ausschöpfen, sagte Kämmerin Dörte ­Diemert. Welche das sind, und was mit den anderen ­geschieht, sagte sie nicht.