Portrait Walter Dahn, 1997 / Photo: Andrea Stappert

I left you my dreams on your answering machine.

Ein Nachruf auf den Kölner Künstler Walter Dahn

Den ersten Menschen, den ich treffen will, nachdem mich die Nachricht vom Tode Walter Dahns erreicht hat, ist Walter Dahn.

Das Treppenhaus hinauf in der Lütticher Straße, die Tür hast Du, wie immer, nur aufgemacht und wartest hinten im Wohnzimmer, am Fenster des Nachmittagssonnenlichts. »Du glaubst es nicht«, sage ich, »Walter ist gestorben.« »Das ist ja mal ein Ding!«, antwortest Du, »schau mal bitte in der Küche, ob’s noch Tee gibt.«

Die benutzten Teebeutel legen wir auf eine Untertasse voller bereits ausgetrockneter Teebeutel. Insgeheim freut es Dich ein bisschen, dass Du gestorben bist, dass Dich der Weltenverlauf so eindeutig angesprochen hat. Oh, was für gewaltige Kräfte in den Dingen und Persönchen am Werk sind, geht es dir durch den Kopf, eingefangen stets von einer Bleistiftspitze, einer Kamera oder dem Wort, eine gewaltige Musik von allem, was an Gegenwart nicht verneint werden kann, und nun das! »Wie es ihm wohl geht, jetzt, da drüben, im Innersten? Wie er wohl herüberblickt zu uns und unseren Teetassen«, schmunzelt Du und suchst die Wege ab, die Du zeitlebens von hier aus ins Drüben/Innen geschlagen hast. Die Holzspäne auf der Fensterbank. Die Nervenbahnen der ­Buche zwischen den Buchseiten. Das aufwühlende Schweigen der Gedichte. Der Pils, das knisternde Holz, der Torf unterm Fingernagel, die Muschel und die Ähre. Der Niederrhein als erstes und letztes Bild, Dein Erzählstrang seitdem: Das Wasser, die Suppe, der Suppenlöffel, der Mund, die Lippen. Das Gebet.

Für Platon war die Schönheit der Weg Gottes, sich in der Welt zu offenbaren. Für den Transplatoniker Dahn, der nun groß aufschnaubt bei diesem Wort, ist der Kram, ist Heideggers »Zeugs« ­jenes Bindeglied, welches im ­Allzuweltlichen die Erinnerung an das Absolute bewahrt. Das ­Elementare ist einkassiert. Im Verschweigen dessen, was im ­fertigen Werk fehlt, ist das Essentielle zum Leuchten gebracht. Wie nah kommt man der Schöpfung, wenn das zu Sagende nur auf einen verblassenden Kassenzettel von Rewe passt?

»Ich spiele wie ein Kind«, hast Du mal über Deine späten Aquarelle gesagt, »Ein, zwei Farben aus dem Pelikan Farbkasten, mehr brauchst du nicht, damit wird gemalt.« So hast Du’s gewollt: Das Gewöhnliche ist beseelt mit dem Unerschöpflichen der Weltenräume. Walter Dahn hat mehreren Generationen von Menschenkindern genau dieses Staunen gelehrt. Und mit Schelmengrinsen hinzugefügt: »Das haut dich um, wenn du es spürst.«

Walter Dahn, 1954 am Niederrhein geboren, studierte in Düsseldorf bei Joseph Beuys, wirbelte ab 1979 mit ­seinen Atelierskollegen von der ­Mülheimer Freiheit erst die Kölner und dann die internationale Kunstszene auf. Seit 1996 wirkte er als Professor an der HBK Braunschweig. Dahn starb am Wochenende des 8. November im Alter von 70 Jahren. Der Autor Dennis Freischlad war mit Dahn befreundet und hat etliche ­Teestunden und Arbeitsprozesse mit ihm geteilt.