Bedrohte Kunst: Standortmitte von Lutz Fritsch am Bonner Verteiler

»Anscheinend nicht erwünscht«

Eklat im Kunstbeirat der Stadt Köln — alle Fachleute schmeißen hin

»Schon wieder — Köln...« Mit diesem Seufzer leitete der Deutschlandfunk seine Meldung ein, dass Köln plötzlich keinen beschlussfähigen Kunstbeirat mehr hat. Denn in der Sitzung am 21. November traten alle acht stimmberechtigten Mitglieder — ehrenamtlich ­tätige Fachleute, die Politik und Verwaltung zu Kunst im öffentlichen Raum beraten — geschlossen zurück, »weil unser Engagement für die Kunst in Köln anscheinend nicht erwünscht ist«, wie es in ­einer Stellungnahme heißt.

Der Kunstbeirat, vom Rat der Stadt eingesetzt, werde von den Spitzen in Politik und Verwaltung  ignoriert, sagt der Kunstwissenschaftler und Autor Kay von Keitz, Sprecher der Fachleute. In anderen Städten gebe es ein größeres Engagement von Politik und Verwaltung für Kunst im öffentlichen Raum, etwa in München, aber auch in Düsseldorf, wo man sich am Münchner Modell orientiere: Dort gibt es unter anderem ein Kunst-am-Bau-Programm für städtische Verwaltungsgebäude, Schulen, Straßen und U-Bahnhöfe sowie außerdem, anders als in Köln, ein grundlegendes Konzept. Auch dazu habe man eigenständig Vorschläge entwickelt, aber sie seien nie aufgegriffen worden, sagt Kay von Keitz.

»Es braucht aber eine Programmatik, was an aktueller Kunst auf welche Weise im öffentlichen Raum vorkommen soll«, so von Keitz. »Früher ging es vielleicht mal darum, ob irgendwo was von Henry Moore oder Markus Lüpertz hingestellt wird. Heute ist alles viel komplexer — die Bandbreite umfasst alles, bis hin zu konzeptuellen Arbeiten und temporären Interventionen, mit denen Künstlerinnen und Künstler sich zu Städtebau und Stadtentwicklung positionieren.«

Es gehe eben nicht nur darum, dass die rund 2000 Kunstwerke in der Stadt gepflegt oder auch neu kontextualisiert werden, sondern darum, ein breiteres Bewusst­sein für Kunst im öffentlichen Raum zu schaffen. »Dazu benötigt man auch einen entsprechenden Etat, bezahltes Fachpersonal und ein Gremium, das demokratisch legitimiert entscheiden kann.« ­In Köln aber seien fast alle Vorschläge, Empfehlungen und auch selbst­ständig entwickelten Konzepte der acht Fachleute ignoriert worden.

Da ist etwa das Kunstwerk »Standortmitte« von Lutz Fritsch — zwei 50 Meter hohe Stelen, die an den Endpunkten der Autobahn A555 in Köln und Bonn in Kreisverkehren stehen. Weil Köln die Nord-Süd-Stadtbahn bis Meschenich verlängert, ist am Verteilerkreis eine Brücke geplant — dicht an der Kölner Stele. Nach Meinung der Kunstfachleute ­würde damit Fritschs Werk zerstört. Doch deren Stellungnahme blieb unbeachtet, von der politischen Beratungsfolge war der Kunstbeirat ausgeschlossen, so Kay von Keitz. Und das vom Kunstbeirat initiierte Projekt »Cumulus« von Christian Odzuck, das ein früheres Relief am WDR-Filmhaus von Karl Hartung integriert, wird es wohl nie geben. Obwohl der Kulturausschuss des Rates vor drei Jahren die Verwaltung mit der Umsetzung beauftragte, ist bislang nichts geschehen.

Der Eklat im Kunstbeirat hat für Aufmerksamkeit gesorgt. Doch eine offizielle Stellungnahme der Stadt Köln gab es bis Redaktionsschluss nicht. Kay von Keitz sagt, OB ­Henriette Reker habe ihn zum Gespräch eingeladen. Sie habe ­dafür eine halbe Stunde gesetzt

Ob sich nach dem Rücktritt der Fachleute Nachfolger finden? In den ersten Wochen des neuen Jahres sollte es turnusgemäß die nächste Sitzung des Kunstbeirats geben — bislang gäbe es dann aber gar keine stimmberechtigten Mitglieder mehr.