Die Nacht ist endlos
Istanbul, die Partnerstadt von Köln, schläft nie. Essentiell dabei: der passende Soundtrack. Neben den Musikerinnen der Stadt (wie aktuell Melike Şahin und Anadol Gözen) sind es vor allem die DJs, die das Nachtleben von Istanbul prägen. Seit bald fünfzehn Jahren stets präsent auf den Dance Floors der Stadt am Bosporus: Ece Özel.
Ece Özel ist eine jener besonderen DJs, wie wir sie im Rheinland vor allem aus dem Salon des Amateurs kennen: idiosynkratisch im besten Sinne des Wortes, also eigensinnig, unangepasst, nicht am erwartbaren Flow interessiert.
Die Person hinter den Sets, so ihr Ruf, sei zurückhaltend, ja reserviert. Und da Özel im Türkischen »privat« bedeutet, liegt die Frage nahe, ob es sich dabei um einen Künstlernamen handelt. Dem sei nicht so, merkt sie an — und fügt hinzu, dass man Özel auch mit »speziell« übersetzen könne.
Von der privaten Ece Özel ist es 2024 nur ein kleiner Sprung zur öffentlichen Person, da das DJ-Business sich (leider) zu einem Persona-Business entwickelt hat. Die Jahre von abgedunkelten Räumen mit Strobo-Licht und Nebel, wo man oft nicht wusste, wer auflegt, sind Vergangenheit, die jüngeren Ausgehgenerationen und DJs kennen sie nur noch aus mythisch überhöhten Erzählungen. Da hilft auch nicht die Keine-Fotos-Politik in vielen Clubs, das Warm-up und die Afterhour der Clubkultur finden derzeit strictly auf dem Instagram-Floor statt.
Wie fühlt sich dieses Businessmodell für eine introvertierte Künstlerin an? Ece holt für ihre Antwort aus: »Zunächst: Das ist kein Trend. Das ist nun der Normalzustand. Als ich zum ersten Mal merkte, dass sich die Dinge ändern, war ich verärgert, weil ich überhaupt nicht so bin. Ich weiß generell nicht wirklich, was ich mit den sozialen Medien anfangen soll, ich habe keine Strategien. Ich poste einfach, wenn ich etwas für relevant halte. Ich mag es nicht, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.«
Bei der Musik handelt es sich um die zweite Liebe der Ece Özel. Die erste war die Malerei. Doch während des Kunststudiums musste sie leider schnell erkennen, dass der Akademiebetrieb nicht wirklich die Liebe zur Kunst stärkt — mit dem Ergebnis, dass sie der Malerei für ein Jahrzehnt den Rücken zukehrte. Das ändert sich zuletzt aber wieder: »Malen ist mein Leben, wenn ich nicht im Club bin«, kommentiert Ece Özel.
Beim DJing war für sie die Freiheit noch spürbar, die sie in der bildenden Kunst nicht mehr spürte
Dass sie überhaupt von der Kunst zur Musik abgebogen ist, dafür sind zwei Menschen verantwortlich gewesen. Zuallererst ihr Vater, ein Jazz-Head, wie sie es ausdrückt, der Bars in Patara und dann Bodrum in der Südtürkei betrieben hat. Er schleppte ständig Musik auf Tapes nach Hause, so habe sie beispielsweise »My Life in the Bush of Ghosts« von Brian Eno und David Burns entdeckt. Und dann war da der Freund, der sie eines Tages zu einem DJ-Set in einer Bar überredete. Beim DJing war die Freiheit noch spürbar, die sie in der bildenden Kunst nicht mehr spürte. So waren ihre frühen Sets stilistisch noch völlig offen, und letztlich sei es noch immer ein bisschen so, auch wenn sich die Sets natürlich schnell hin zu dem entwickelt haben, was man wohl Dance Music nennt.
Die Pandemiezeit hat definitiv ihre Spuren bei Ece Özel hinterlassen. Heute versucht Özel mittlerweile eher weniger außerhalb der Türkei aufzulegen — aktuell unterhält Ece Residencies im Gizli Bahce und im Arkaoda. Ihre Hoffnung ist es, den Einkommensgap mit verkauften Bildern zu schließen. Erst am Tag vor unserem Gespräch habe sie ein Bild verkauft, erzählt sie happy.
Zum Schluss möchte ich von Ece Özel wissen, wie sie denn die politischen Proteste erlebt habe, die vom Mai 2013 an Istanbul prägten und bis heute in Form von massiver innerstädtischer Umgestaltung sowie andauernder Polizeipräsenz sichtbar sind? Es war eine Zeit der Isolation, führt sie aus, das sei unvermeidlich gewesen, da die meisten internationalen Musiker:innen das Land schlichtweg gemieden hätten. Regulärer Clubbetrieb sei nicht möglich gewesen. Was nicht heißt, dass sie nicht gefeiert hätten, aber eben privat. Die Folgen bewertet sie nüchtern: »Von da an ging es bergab. Vor allem das Taksim-Viertel, weil hier die meisten kulturellen Dinge passieren. Zudem kam es ja zu Terroranschlägen, Bomben. Und schließlich kam die Pandemie.«
Beim Set von Ece Özel im Istanbuler Club Gizli Bahçe (Versteckter Garten) verschwinden die Wolken der Nachdenklichkeit sofort. Musik als Heilmittel gegen die Welt da draußen. Da wundert es nicht, dass die Nächte von Istanbul nicht enden wollen.