Queer
Das Leben nach James Bond kann schwierig sein. Sean Connery haderte damit, dass er so sehr mit seiner Rolle als 007 identifiziert wurde, für andere Bond-Darsteller war die Karriere im Anschluss ganz vorbei. Als bislang letzter Ex-Bond steht seit drei Jahren Daniel Craig vor der Frage, was er mit dem Rest seiner Schauspielkarriere anfangen soll. Und da der 56-Jährige finanziell mehr als abgesichert sein dürfte, scheint seine Antwort zu lauten, möglichst ikonoklastisch zu agieren.
Craigs Bond war im Vergleich zu früheren Inkarnationen geradezu monogam. Vor allem aber kokettierte er mit den unterschwelligen homosexuellen Aspekten seiner Figur — ein Weg, den Craig nun mit viel Lust am Innuendo weiterverfolgt.
Die Hauptrolle in Luca Guadagninos Verfilmung von William S. Burroughs’ Roman »Queer«, den der Autor Anfang der 1950er Jahre geschrieben, auf Grund der Thematik aber erst 1985 veröffentlicht hat, scheint da nur folgerichtig. Craig spielt Lee, das kaum verklausulierte Alter Ego Burroughs’. Lee entzieht sich in den späten 1940er Jahren einer Verhaftung in den USA und genießt das günstige Leben in Mexiko, das für ihn nur aus Mescal, Heroin und wahllosem Sex besteht, bis eines Tages der junge Allerton (Drew Starkey) auftaucht. Der stellt den Frauen der Stadt nach, lässt sich aber bisweilen auch von Lee verführen und schließlich zu einer Reise in den südamerikanischen Dschungel überreden. Dort macht sich Lee auf die Suche nach der sagenumwobenen Yage-Wurzel — heute besser bekannt als Ayahuasca.
Am Ende steht ein Drogentrip. Doch schon zuvor wird jede Minute des mäandernden Films weniger von einer stringenten Handlung, als vielmehr von impressionistischen Momenten getragen. Von verschwitztem Begehren, Alkohol- und Tabakkonsum. Gedreht in den Studios von Cinecitta evoziert Guadagnino weniger eine Zeit als vielmehr einen Gefühlszustand und findet in Daniel Craig einen Mitstreiter, der mit großer Spielfreude mitzieht. Auch wenn es manch explizite Sexszene gibt: Um einen möglichen Skandal geht es hier in keiner Weise. Schon eher um eine letztlich tragische Figur, die mit sich und ihren Dämonen ringt. Deren Komplexität deutet Guadagnino in einer furiosen, an das Finale von Kubricks »2001« angelehnten Schnitt-Sequenz an.
I/ USA 2024, R: Luca Guadagnino, D: Daniel Craig, Drew Starkey, Lesley Manville, 135 Min., Start: 2.1.