»Fühlt sich nach Abwicklung an«
2900 Stellen sollen bis 2027 bei Ford in Köln abgebaut werden. Das kündigte das Unternehmen im November an. Für die Belegschaft war es die jüngste in einer Reihe von Hiobsbotschaften: Vor eineinhalb Jahren wurde der Abbau von 2300 Stellen beschlossen, Anfang November mussten 2000 Beschäftigte der Produktion in Kurzarbeit. Kurz darauf verbreitete sich die neueste Zahl im Betrieb. Rund 12.000 Menschen arbeiten derzeit noch für Ford in Köln, dem drittgrößten Arbeitgeber nach Rewe und der Stadtverwaltung. Ihnen und der gesamten Stadt stehen ungewisse Zeiten bevor.
Was besonders beunruhigend sein dürfte: Die Konzernspitze um Geschäftsführer Marcus Wassenberg will ihre Ansage bislang nicht mit belastbaren Aussagen zur Zukunft des Standorts Köln verbinden. Das sei anders als früher, so David Lüdtke, IG-Metall-Vertrauensmann im Ford-Werk: »Es gibt kein Versprechen mehr für den Rest.« Im Gegenteil: Ganze Produktionsbereiche sollen ausgelagert oder verkauft werden.
Eine Sparrunde im Februar 2023 hatte der Konzern noch mit Investitionen verknüpft. Zwei Milliarden Euro flossen in die Entwicklung der elektrischen Modelle Explorer und Capri. Weil die Plattformen dafür vom Konkurrenten VW eingekauft werden müssen, ist die Gewinnmarge wohl überschaubar.
Viele sehen den Fehler in der Produktpolitik von Ford. Das neueste Elektro-Modell, der Ford Puma Gen-E wird wie die Verbrenner-Variante in Rumänien produziert. Der elektrische Antrieb ist eine Eigenentwicklung und kommt aus Großbritannien. Mit 36.900 Euro wird das Ford-E-Auto teurer als vergleichbare elektrische Modelle der Konkurrenz, die mehr Reichweite und größere Ladeleistung bieten. Wenig spricht dafür, dass der Puma ein Verkaufsschlager wird.
Die Sicht des Konzerns: Äußere Faktoren würden Ford unter Druck setzen, etwa »die hohen Kosten der Umstellung auf Elektroautos, neue Konkurrenten und strenge CO2-Emissionsziele«, heißt es in einer Pressemitteilung. Der Absatz der Kölner Elektromodelle bleibt wohl weit hinter den Erwartungen zurück, was auch am üppigen Grundpreis liegen könnte: 42.500 Euro für eine nominelle Reichweite von gerade einmal 385 Kilometern. Für eine zeitgemäße Ausstattung werden beim Ford Explorer sogar knapp 49.500 Euro fällig.
»Ich kann mir auch kein Auto für 50.000 Euro leisten«, sagt einer der Ingenieure, die die beiden Modelle in Köln entwickelt haben. Seinen Namen will er nicht preisgeben, um offen reden zu können. Auch seine Abteilung wird erneut betroffen sein: »Das fühlt sich schon stark nach Abwicklung an.« Ein Strohhalm sei die Garantie, bis 2032 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Aber: »Eigentlich ist jedem klar, dass spätestens dann Produktion und Entwicklung hier vorbei sind«, sagt er.
Der Ingenieur vermisst wie viele andere eine überzeugende Strategie für den europäischen Markt. Pkw-Modelle wie der Fiesta, der bezahlbare Kleinwagen schlechthin, der jahrzehntelang in Köln vom Band lief, wurden eingestellt. Gleichzeitig seien viele Abteilungen in die USA zurückgeholt worden. Das deutsche Management habe an Köpfen und letztlich an Unabhängigkeit verloren, heißt es aus dem Betrieb.
Eigentlich ist jedem klar, dass Produktion und Entwicklung in Köln spätestens 2032 vorbei sindAnonymer Ford-Ingenieur
Die Kommunalpolitik verweist auf Land und Bund. Kaufprämien für E-Autos sollen wieder aufgelegt, die Infrastruktur ausgebaut werden, Stichwort Ladesäulen. Die Kommune solle »im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützend tätig« werden, sagt Niklas Kienitz, Fraktionsgeschäftsführer der CDU im Rat, »um soziale Härten abzufedern und Perspektiven zu schaffen«. SPD-Fraktionschef Christian Joisten fordert »endlich Unterstützung im Strukturwandel«, um »unseren industriellen Kern zu erhalten«. Die Vorsitzende der Grünenfraktion Christiane Martin kritisiert die Führung von Ford für »falsche Entscheidungen« zu Lasten der Belegschaft: »Diesen Menschen und ihren Familien raubt man die Sicherheit und verspielt das letzte bisschen Vertrauen.« Die FDP hatte das Thema im Rat auf die Tagesordnung gesetzt und eine aktuelle Stunde zum Thema beantragt. Welchen Einfluss die Kommune allerdings konkret nehmen kann, blieb auch nach den bereits sehr wahlkampfartigen Redebeiträgen aus allen Fraktionen unklar.
Ohne Frage ist die Zukunft der Fordlerinnen und Fordler mit viel weiterreichenden Entwicklungen verbunden. Für weniger komplexe, kleinere Autos, sagt der Ingenieur aus der Entwicklungsabteilung, fehle der Mut in der Unternehmensspitze, in der Politik und letztlich in der Gesellschaft: »Es scheint, als ob man immer wieder Ausreden findet, um den Schritt zur E-Mobilität nicht wirklich vollziehen zu müssen«, sagt er.
Betriebsrat und Gewerkschaft setzen jetzt auf Verhandlungen. Sie haben sich per Brief an die Konzernmutter in den USA gewandt, und mit dem deutschen Management wollen sie über die zukünftige Ausrichtung sprechen. Die Vereinbarung, auf betriebsbedingte Kündigungen bis 2032 zu verzichten, könne nicht einseitig aufgekündigt werden. Ein Stellenabbau sei nur möglich mit Zustimmung der Arbeitnehmer*innenvertretung. Diesen Hebel will man nutzen. »Wir eskalieren jetzt«, sagt IG-Metall-Mann Lüdtke. Das laufende Abfindungsprogramm habe der Betriebsrat bereits gestoppt. Die Belegschaft scheint dafür bereit. Als Arbeitnehmer*innenvertretung und Konzernspitze kurz nach der Ankündigung der neuesten Stellenstreichungen in Merkenich zusammensaßen, hatten rund 2000 Arbeiter*innen spontan die Arbeit niedergelegt und waren vor das Gebäude gezogen. Ihr lautstarker Protest soll in der Sitzung deutlich zu hören gewesen sein.