2025 — Unsere Wünsche für Köln

2025 wird ein Jahr der wichtigen Entscheidungen. Ein neuer Bundestag wird bald gewählt und in Köln hat gerade der Kommunalwahlkampf begonnen — im Herbst entscheidet sich, wie sich der neue Stadtrat zusammensetzt und wer OB wird. Wohnungsnot, soziale Spaltung, Klimawandel, Verkehrschaos — so viele Probleme müssen angegangen werden. Die Redaktion der Stadtrevue hat aufgeschrieben, was sie sich vor allem für 2025 wünscht, damit Köln lebenswerter, schöner, und nachhaltiger wird. Dörthe Boxberg hat Menschen fotografiert, die sich für ihre Anliegen engagieren und sie zu Wort kommen lassen

Bezahlbare Wohnungen

Jeder, der in Köln schon mal eine Wohnung gesucht hat, weiß: Diese Stadt hat ein Problem. Selbst für Besserverdienende ist es nur schwer möglich, eine neue Bleibe zu finden. Um den Bedarf zu decken, müssten in Köln 6000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, hat die Stadt vor langer Zeit ausgerechnet. Doch diese Marke erreichte man zuletzt in den 90er Jahren; in den vergangenen fünf Jahren waren es nur rund 2500. Wegen explodierender Baukosten ist der Wohnungsneubau nunmehr beinahe zum Erliegen gekommen: Für die Immobilienwirtschaft rentieren sich höchstens noch Luxuswohnungen.
Was also tun? Köln ist eine dicht bebaute Stadt im ­Klimanotstand, es gibt nur wenige freie Flächen. Warum statt an Neubau nicht mal an Umbau denken? Da sind etwa die vielen Großbauten aus den 60er, 70er und 80er Jahren wie das Justizzentrum an der Luxemburger Straße, das bald abgerissen werden soll. Warum nicht die Graue Energie sparen und zu Wohnraum transformieren?
Manche meinen auch, man brauche gar nicht Tausende neuer Wohnungen pro Jahr, der vorhandene Wohnraum müsse nur geschickter verteilt werden. So leben viele alte Menschen, seit der Nachwuchs ausgezogen ist, allein in einer stattlichen Wohnung, während junge Familien aus ihren zu kleinen Räumen ins Umland flüchten müssen. Vielleicht braucht es auch nicht die beinahe 50 Quadratmeter Wohnfläche, die Menschen hierzulande durchschnittlich nutzen — 1991 waren es noch 35 Quadratmeter. Gutes Wohnen ist auch auf kleinerer Fläche möglich, aber nur, wenn die Menschen im Gegenzug auch draußen im öffentlichen Raum behagliche Aufenthaltsmöglichkeiten vorfinden — und nicht nur Parkplätze oder kommerziell genutzte Gehwege.

Anne Meyer

 

Eine Klimapolitik, die dem Notstand angemessen ist

Stadtrat und Verwaltung haben 2019 den »Klimanotstand« ausgerufen  — aber wer würde es merken? Es gibt einen Klimarat, der ab und an tagt und Untersuchungen in Auftrag gibt, Konzepte erstellt, Empfehlungen ausspricht. Nach zwei Jahren Arbeit wurde etwa »Köln Klima­neutral 2035« vorgelegt, ein Fachgutachten, das der Rat Ende 2022 beschloss. Aber beschließen kann man vieles — wer würde darauf wetten, dass Köln tatsächlich in zehn Jahren klimaneutral ist? Zumal die Stadt sagt, nur auf ­
15 Prozent der Emissionen im Stadtgebiet selbst Einfluss nehmen zu können.
2019 hat man die Treibhausgas-Emissionen mit 9,5 Mio. Tonnen veranschlagt, für Klimaneutralität dürfen es nur 1 Mio. sein. Wie soll man das schaffen, wenn allein Neubauten und Bevölkerungswachstum die Emissionen nach oben treiben, und wenn die Pendlerströme und die PKW-Zulassungen auch in Köln immer weiter zunehmen?
Was darf man da noch hoffen, ja, wünschen? Dass Verzicht und Verbote kein Tabu mehr sind. Nur wenn wir die Dringlichkeit erkannt haben, kann sich etwas ändern. Man hat versucht, uns zu schonen, uns weiszumachen, dass all die Klimaschutz-Maßnahmen zu einem besseren Leben führen würden und letztlich alles so weiterlaufen könne wie gewohnt — so bequem wie zuvor, wenn nicht noch besser! Aber selbst dann, wenn all die Handlungsempfehlungen und Aktionspläne umgesetzt würden — unser Leben im Klimawandel wäre nicht bequemer.
Wir sind längst an dem Punkt, mit den Folgen des Klimawandels umgehen zu lernen. Wie kann Köln unter erschwerten Bedingungen überhaupt noch funktionieren, wo schon jetzt vieles nicht mehr klappt? Vor allem gilt es, diejenigen zu schützen, die besonders unter den Folgen leiden werden. Wer fit ist, feiert auch bei 40 Grad im Schatten Party im verdorrten Grüngürtel — andere trauen sich nicht aus dem Haus. Und wer steigt im Hitzesommer eigentlich noch in die Bahn (falls sie kommt)? Wann werden Altenheime und Schulen klimatisiert? Wann endlich Flächen entsiegelt? Wann Kaltluftschneisen vor Bebauung geschützt? Am besten sofort.

Bernd Wilberg

 

Events für die Stadt anstatt Event-Stadt

Es war Oberbürgermeister Fritz Schramma von der CDU, der Köln in seiner Amtszeit zu Beginn des neuen Jahrtausends zur »Event-Stadt« ausrief. Die Folgen spüren wir bis heute, nicht nur an Karneval ist Köln die Ballermann-Metropole der Republik. Die Kritik daran wächst. Doch alle Versuche, das Image zu korrigieren, sind kläglich gescheitert — nicht zuletzt, weil der politische Wille fehlt. Für manchen im Kölner Stadtrat kann es gar nicht genug Events geben. In der Folge werden ganze Straßen und Plätze verramscht. Immer mehr öffentlicher Raum wird kommerzialisiert, auch gastronomisch: Verweilen kann nur noch, wer genug Geld dafür hat — und der idealtypische Gast ist jung, gesund und hat Geld. Und all das, wo man in Köln doch so stolz auf »Diversity« ist.
Aber vieles, was man sich in Köln einfallen lässt, zielt auf das immer gleiche Publikum. So lange die Kasse klingelt, verbietet sich scheinbar auch die Frage nach Qualität und Sinnhaftigkeit der Veranstaltung — und danach, wer davon profitiert. Wo sind die Events für die anderen? Für die Alten, für die Menschen mit Handicap, für Kinder? Stattdessen die immer gleichen Fressbuden, Bierstände, Hüpfburgen zur Kinderverwahrung und brechend laute Musik — all diese Lieblosigkeit, die trostlose Bedröhnung und konzeptuelle Ödnis ist weitverbreitet, doch in Köln kann man sie besonders oft bestaunen. Alles muss immer lauter, greller und spektakulärer sein, damit noch mehr Menschen nach Köln kommen. Als hätte Köln nicht genug zu bieten. Wäre Köln nicht auch attraktiv ohne Verkehrschaos, ohne Lärm, ohne Vermüllung?  
Diese Eventisierung zu kritisieren, ist übrigens keine Frage des Geschmacks. Es ist eine Frage danach, was man den Menschen, die in Köln leben, zumuten will. Wie es auch anders geht, zeigt etwa der »Tag des guten Lebens« — aber ein Tag ist zu wenig. Wir bräuchten Jahre des guten Lebens — fangen wir 2025 damit endlich an! Für die Menschen in Köln und für unsere Gäste. Denn die wollen Köln kennenlernen und nicht austauschbare Großevents, die es überall geben könnte.

Bernd Wilberg

 

Weniger Autos

Ende November, morgens um halb zehn am Hansaring. Ich bin mal wieder genervt. Der eh schon schmale Radstreifen ist gesperrt, ich und mein Fahrrad müssen uns in den Berufsverkehr einfädeln. Als ich an der Sperrung vorbei fahre, wandelt sich meine Stimmung: Auf dem Hansaring wird ein breiterer Radstreifen markiert. Er ist Teil von #RingFrei, dem vielleicht erfolgreichsten Verkehrsprojekt der letzten Jahre.
Entlang der Ringe gibt es in beiden Richtungen durchgehende, ausreichend breite Fahrradspuren. 2025 wird das Projekt voraussichtlich abgeschlossen sein, wenn auch die letzten Problemstellen am Ubierring, Barbarossaplatz und Ebertplatz bearbeitet worden sind. Es ist eine gute Nachricht in einem Jahr, in dem sich die Zukunft der Verkehrswende in Köln entscheiden dürfte. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass es die einzige bleibt.
Das Problem der Verkehrswende hat drei Buchstaben: K — V — B. Das städtische Verkehrsunternehmen ist unterfinanziert und überfordert. 131,4 Mio. Euro Verlust hat das Unternehmen im Jahr 2023 geschrieben, die Bilanz 2024 dürfte nicht besser ausfallen. Am Angebot weiter sparen kann man nicht: Schon jetzt beschweren sich Kund:innen über den zusammengestrichenen Fahrplan. Und neue Kund:innen dürften schwer zu gewinnen sein, wenn sich der dringend notwendige Ausbau der Stadtbahn in die Veedel am Stadtrand weiter verzögert oder auf einigen Strecken wegen der Haushaltskrise ganz ausbleiben muss. Eigentlich müsste der Stadtwerkekonzern in seine Verkehrsbetriebe investieren und dafür weniger Geld in den städtischen Haushalt abführen. Ob es dafür aber eine politische Mehrheit gibt, wenn die CDU als Teil des Ratsbündnisses das Thema Verkehrswende als Kulturkampf und nicht als Frage von Ursache (CO2-Emissionen) und Wirkung (Klimaerwärmung) begreift — es fällt mir schwer, daran zu glauben. Denn auch die Debatte um die weitere Planung der Ost-West-Achse wirkt eher, als würde sie von Wünschen, Fantasien und Projektionen samt entsprechender Computervisualisierungen bestimmt anstatt vom rationalen Abwägen von Argumenten mit dem Ziel, die CO2-Emissionen weiter zu senken. Vielleicht müssten aber auch die Kölner Bürger:innen ­dafür 2025 mal öfters ihren Verbrenner stehen lassen — am Hansaring gibt es ja jetzt sehr schöne Radstreifen!

Christian Werthschulte

 

Bildungschancen für alle

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat angekündigt, die Schulen bei den anstehenden Kürzungen zu verschonen. Eine andere Entscheidung wäre auch nicht tragbar: Während Bundesländer wie Hamburg in Bildung investieren (kleinere Klassen, mehr Lehrkräfte, Vorschule in Kitas), fällt NRW stetig ab. Verantwortung dafür trägt nicht nur die Landespolitik, die grundsätzlich die Hoheit über Bildung innehat, sondern auch die Stadt Köln, die entscheidende Weichen stellen kann.
Bildung bleibt in Köln stark von sozialer Herkunft ­abhängig. Jedes dritte Grundschulkind erfüllt nicht die Mindeststandards im Schreiben, die meisten dieser Kinder kommen aus »herausfordernden Lagen«. Zudem ­fehlen Schulplätze — hauptsächlich in diesen benachteiligten Stadtteilen. 2024 mussten 19 Mehrklassen an Grundschulen eingerichtet werden. Grund ist der weit hinterherhinkende Schulbau, aber auch die 785 Erstklässlerinnen und Erstklässler, die das Schuljahr wiederholen mussten, weil sie noch nicht schulreif sind. Die meisten von ihnen kommen nicht aus Lindenthal oder Nippes, sondern aus Chorweiler oder Vingst. Dort trifft es an manchen Schulen jedes dritte Kind.
Weil die Bildungsschere in Köln jedes Jahr weiter auseinandergeht, sollte es der Stadt 2025 vorrangig darum gehen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Denn alle Kölner Kinder haben bestmögliche Startchancen verdient. Zwar kann die Stadt nicht einfach mehr Lehrkräfte an diese Schulen schicken, aber vor einem Jahr führten die NRW-Kommunen den aktualisierten Schulsozialindex ein, der Schulen nach Belastungsfaktoren wie Armut, Migration oder Förderbedarf einteilt. Programme wie die »Startchancen«-Initiative von Bund und Land zielen in eine ähnliche Richtung.
Die Stadt Köln muss den Schulsozialindex nutzen, um Gelder bedarfsgerecht an diese Einrichtungen zu verteilen. Ein Anfang wäre: kostenloses Essen an Schulen und Kitas in besonders belasteten Vierteln, Bauprojekte für diese Einrichtungen priorisieren, garantierte Kita- und OGS-Plätze für Kinder aus »herausfordernden Lagen«. Warum erhält in Chorweiler nicht einmal jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz, stadtweit jedoch jedes zweite? Wie kann es sein, dass an einer Grundschule in Chorweiler aus Platzmangel nur 80 Prozent der Kinder einen OGS-Platz und damit auch Hilfe bei den Hausaufgaben bekommen, während in Innenstadt-Schulen fast alle versorgt werden?
Ein solches Bildungsgefälle darf die Stadtspitze nicht zulassen. Nicht zuletzt trat auch die Oberbürgermeisterin in ihrem Wahlkampf vor vier Jahren mit dem Versprechen an: »Köln wird die Metropole der besten Bildung!«

Anja Albert

 

Ein Haus für die freie Kulturszene

Vor allem sind es die freien Szenen, die vielen Initiativen von Einzelnen und Kollektiven, die uns in Köln begeistert haben: Dass Köln Jazz-Hauptstadt ist, ein einzigartiges Festival für Alte Musik und jetzt auch für Musiktheater hat, dass die freien Theater- und Literatur-Szenen aus jahrelanger Provinzialität auferstanden sind — das haben wir noch vor zehn Jahren nicht beobachten können.
Aber paradoxerweise neigt dieser Blick auf das kleinteilige Gewusel zwischen Ehrenfeld und Ebertplatz dazu, zu übersehen, dass eine Sache fehlt, nämlich der Ort, wo diese Szenen, Festivals und Initiativen sich begegnen können, um sich auszutauschen, voneinander zu lernen, miteinander zu kooperieren. Kurzum, es fehlt ein Kooperationshaus.
Diesen alles und nichts sagenden Begriff kennt kaum jemand, die Häuser, die damit assoziiert sind, sind dagegen bundesweit bekannt: das Kampnagel in Hamburg, das HAU (Hebbel am Ufer) in Berlin, der PACT Zollverein in Essen. Dass Köln so einen Ort nicht hat, ist nachgerade absurd. Dieses Kooperationshaus — der Begriff stammt übrigens aus einer von der Stadt eingesetzten Arbeitsgruppe — wäre nicht nur eine städtische Anerkennung und eine neue Fördermöglichkeit jener freien Szenen, die Kölns Ruf als kulturaffine Stadt gerettet haben, sondern eigentlich der logisch nächste Schritt. Nachdem sich die Szenen jede für sich etabliert haben, wäre ihre konzentrierte Vernetzung nur konsequent.
Die Pläne gibt es bereits, auch den Ort — das Depot in Mülheim. Weil der Druck von unten groß war, hat die Stadt im September 2023 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, »AG Depotopia«, um die Rolle des Depots nach einem Umzug des Schauspiels zurück an den Offenbachplatz, zu schärfen. Ein Ort für »Tanz, Theater, zeitgenössischen Zirkus und Musiktheater« sollte es werden, wobei in diesem Konzept der Schwerpunkt auf Tanz gelegen hat. Das Depot sollte auch Heimat der städtischen Tanzkompanie werden. Ein guter Ansatz, aber noch nicht der große Wurf oder besser: der große Mut für einen wilden, anarchischen, produktiven Ort, wie es Kampnagel und HAU ­immer wieder gewesen sind.
Aber der Umzug des Schauspiels ist offen, die neue Tanzsparte soll frühestens 2028/2029 kommen, der freien Tanz-Szene drohen umfangreiche Kürzungen. Andere Initiativen, etwa die Cologne Jazzweek, sind damit beschäftigt, ihr Fortbestehen für die nächsten zwei Jahre zu retten. Aber aus den ersten Entwürfen und Träumereien ergibt sich 2025 hoffentlich ein politischer Wille: Dass ein gemeinsamer Ort sehr nützlich wäre, um künftigen Krisen besser begegnen zu können.

Felix Klopotek

 

Integration statt Duldung

Migration wird zurzeit vor allem als Problem gesehen. Und wenn nun Köln und NRW wie geplant bei Beratung und Ehrenamt kürzen, verheißt das nichts Gutes für die Integration. Dabei verläuft die oftmals schon jetzt schleppender als erhofft — vor allem auch bei der Gruppe der Geduldeten. Geduldet heißt, sie sind ausreisepflichtig, die Ab­schiebung ist nur vorübergehend ausgesetzt. In Köln sind das derzeit weit mehr als 3000 Menschen, manche von ihnen leben mit einer »Kettenduldung« schon mehr als 15 Jahre hier.
Wer nur geduldet ist, kann nur schwer Vertrauen aufbauen zu einem Land und seinen Behörden. Wem über Jahre die Abschiebung droht, der kann nicht zur Ruhe kommen, um Deutsch zu lernen oder seine Kinder zum Lernen zu ermutigen. Geduldete können keinen Integrationskurs besuchen, es sei denn, sie bezahlen ihn selbst. Jobs finden sie nur schwer, denn welcher Arbeitgeber stellt jemanden ein, der laut Papier nur noch drei Wochen in Deutschland sein darf? Wie sehr der Status der Duldung die Integration erschwert, hat Köln als erste Kommune erkannt und im Jahr 2018 ein bundesweit einzigartiges Bleiberechtsprogramm eingeführt. Geduldete, die schon lange in Köln leben, werden beraten, damit sie die Bedingungen für eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund von »nachhaltiger Integration« erfüllen können: Unter anderem müssen sie einen Pass beschaffen, Deutsch lernen, einen Job finden. Während dieser Zeit können sie nicht abgeschoben werden. Das Programm ist erfolgreich, vor allem, weil die Menschen endlich Hoffnung schöpfen, dass sich an ihrer Lage doch noch etwas ändern kann.
Nun meinen viele, statt solche Programme zu finanzieren, solle man die Menschen sofort konsequent abschieben, sobald ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Auch das ­verhindere schließlich den unwürdigen Status der Duldung. Diese Forderung verkennt, dass Abschiebungen — von moralischen Erwägungen einmal abgesehen — sehr oft gar nicht möglich sind, weil Konsulate sich weigern, den Menschen einen Pass auszustellen oder weil das Herkunftsland die »Rücknahme« verweigert. Soll man diese Menschen auf ewig in einer Kettenduldung halten und ihnen so alle Integrationschancen nehmen?
Diese Einsicht steht auch hinter dem Chancen-Aufenthaltsrecht des Bundes, das vor zwei Jahren in Kraft trat. Es ist jedoch vorerst bis Ende 2025 befristet. Dann läuft auch die Finanzierung des Kölner Programms aus. Ab 2026 ist kein Geld mehr dafür vorgesehen, der Kölner Stadtrat entscheidet im Februar, ob es dabei bleibt. Die Politik sollte sich das gut überlegen — auch mit Blick aufs Geld. Denn für Geduldete muss die Kommune finanziell aufkommen. Wer aber eine Aufenthaltserlaubnis hat und seinen ­Lebensunterhalt nicht allein bestreiten kann, erhält ­Leistungen vom Jobcenter, und damit vom Bund.

Anne Meyer

 

Ein weiteres Jahr mit der Stadtrevue

2025 ohne Stadtrevue? Für uns unvorstellbar und für viele von euch offenbar auch. Mehr als 1500 Menschen haben seit Anfang November ein neues Stadtrevue Abo abgeschlossen. Das ist toll! Wir wünschen uns natürlich, dass es noch mehr werden, damit wir auch 2025 weiter über das Leben in Köln berichten können. Denn es steht ja viel an — neben all den Dauerbaustellen von Wohnen bis Bildung wird in Köln im kommenden Jahr auch zwei Mal gewählt. Und auch wenn rechtsextreme Parteien im Vergleich zum Bundesdurchschnitt in Köln eher schwach sind, gewinnen sie an Popularität. Vor allem an den Stadträndern — von Godorf bis Chorweiler, von Bocklemünd bis Porz-Urbach — war der Stimmanteil der AfD bei der vergangenen Europawahl überdurchschnittlich hoch.  Eine Studie aus Baden-Württemberg hat zudem gezeigt, dass die Partei bei den Landtagswahlen 2021 gerade dort öfter gewählt worden ist, wo es keine Lokalmedien mehr gab. Ein gutes Argument für mehr lokalen Journalismus — vielleicht ja auch in Köln.

Christian Werthschulte