Der Karneval ist außer Kontrolle

Karneval, besinnungslos

Die Stadt ruiniert mit Ideenlosigkeit und ­Trägheit ihr Brauchtum

»Was tun, damit es halbwegs glimpflich ausgeht?« Zweimal im Jahr wird das diskutiert: vor dem Elfen im Elften und jetzt, vor Beginn des Straßenkarnevals.

Der Runde Tisch Karneval, den OB Henriette Reker nach den Auswüchsen 2017 zusammenrief und wo sich unter anderem Karnevalisten, Kulturschaffende und Gastronominnen versammeln — er ist ein Flop. Wie anders soll man die verzweifelten Versuche nennen, die Menschenmassen abzuhalten, das Kwartier Latäng in den Ausnahmezustand zu versetzen und sie nach dessen Überfüllung auf die »Ausweichfläche« im Grüngürtel zu treiben? Wenn nachher niemand vom Balkon oder vor die Straßenbahn gefallen ist, wenn die Zahl der Belästigungen und Bedrohungen nicht höher ausgefallen ist als erwartet — ja, dann war’s schon ein voller Erfolg.  

Vielen Kölnerinnen und Kölnern reißt langsam der Geduldsfaden — nicht nur jenen, die unter dem Krawall, Müll und Lärm zu leiden haben, sondern auch Karnevalisten. Jene nämlich, die eine ursprüngliche Idee des Festes bewahren wollen — damit der kölsche Karneval nicht zu einem austauschbaren Großevent verkommt. Natürlich können sich Feste wandeln, selbst wenn sie Weltkulturerbe sind. Aber wenn das aus kommerziellen Gründen geschieht — mit Karneval­festivals im Sommer und Sitzungen im Advent — und außer Vollrausch nichts übrig bleibt, verlieren sie ihren Sinn.

Dabei gibt es Ideen, die schon jahrelang am Runden Tisch besprochen worden sind. Es sind Vorschläge, das närrische Treiben zu entzerren, den Karneval in den Veedeln zu stärken und in der Innenstadt erträglich zu machen. Wo bleibt die Stabsstelle für den Karneval in der Verwaltung? Wo das Geld für kleine, phantasievolle Veranstaltungsformate? Kein Geld? Zahlt man lieber für die Folgen? Nimmt man den Ruf als Sauf-Stadt einfach hin? Kaum etwas wird unternommen, das Fest zu retten. Und hinter vorgehaltener Hand ist manch einer froh, wenn das Wetter schlecht oder der 11.11. ein Tag in der Wochenmitte ist und Polizei und Ordnungsamt mitteilen, es sei »weitgehend friedlich« geblieben.

So verfahren ist die Lage, dass niemand die Veranwortung für den Straßenkarneval übernehmen mag — nicht die Stadt, die mit dem Fest wirbt, nicht das Festkomitee, das sich als maßgeblich in Fragen des Brauchtums begreift. Der Karneval ist außer Kontrolle geraten. Ein Brauchtum nur noch, das so niemand braucht.