Einmal tief durchatmen
So einig waren sich die Ratsfraktionen selten. Egal, ob FDP, Volt oder Linke, Grüne oder SPD — sie alle bedankten sich bei den »Orgas«, der »Zivilgesellschaft« oder »den Protesten« für ihr Engagement gegen die Kürzungen im Haushalt der Stadt Köln. Diese hätten deutlich gemacht, wie wichtig die Kulturszene (s. S. 26) und soziale Initiativen für Köln sind. »Gerade im Sozialbereich zeigt sich: Vermeintlich kleine Beträge können Großes bewirken. Sie mögen nicht »teuer« wirken, sind aber von großem Wert«, sagt Sandra Schneeloch, finanzpolitische Sprecherin der Grünen.
Als im November der erste Entwurf für den Doppelhaushalt 2025/2026 vorgelegt wurde, war der Aufschrei riesig, denn zahlreiche Projekte und Initiativen standen auf der Streichliste: von der Flüchtlingshilfe über Gewaltschutz-Projekte in Frauenberatungsstellen bis hin zu Ferienfreizeiten für Kinder aus einkommensschwachen Familien. Insgesamt nimmt das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt geplante Kürzungen in Höhe von 21 Mio. Euro zurück; 14 Mio. Euro sollen haushaltsneutral umgeschichtet, weitere sieben Mio. Euro aus der Kulturförderabgabe beigesteuert werden.
»Wir sind total erleichtert, dass die Politik das Schlimmste abgewendet hat und wir damit unsere Arbeit fortsetzen können«, sagt Margret Schnetgöke von der Beratungsstelle FrauenLeben. Ursprünglich sollte der »Frauentopf« für unabhängige Frauenprojekte komplett gestrichen werden, nun ist zumindest der Status quo von 2024 gesichert. Der Gewaltschutz sei damit aber noch immer nicht ausreichend finanziert, weil die Bedarfe stetig zunähmen, so Schnetgöke: »Eigentlich müssen wir die Hilfestruktur auszubauen.« Im November habe die Ankündigung der Verwaltung sie völlig überrumpelt: »Keiner hat mit uns gesprochen. Das ist kein guter Politikstil und darf so nicht noch mal vorkommen.«
Auch in der Flüchtlingshilfe werden Kürzungsvorschläge zurückgenommen. »Der Zusammenhalt in unserer Stadtgesellschaft wird damit gestärkt!«, sagt Claus-Urlich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat. »Trotzdem ist es kein Friede-Freude-Eierkuchen.« Auch weiterhin gebe es in Köln viele »soziale Baustellen«, etwa die Wohnungsnot und zunehmende Armut. »Für uns Träger gibt es nach wie vor große Finanzierungslücken, zum Beispiel bei Bundes- und Landesförderungen. Und auch für Restfinanzierungen benötigen wir nach wie vor
weitere Mittel.«
Wir sind total erleichtert, dass die Politik das Schlimmste abgewendet hatMargret Schnetgöke, FrauenLeben
Kürzen will das Ratsbündnis an anderer Stelle. Bei der Unterbringung von Geflüchteten sollen drei Mio. Euro eingespart werden, indem etwa auf die Unterbringung in Hotels verzichtet wird, zwei Mio. Euro sollen auch bei den Wachdiensten der städtischen Museen wegfallen, deren Kosten zuletzt vom Rechnungsprüfungsamt kritisiert wurden. Der Zuschuss zur städtischen Sportstätten GmbH wird an deren Wirtschaftsplan angepasst, das bringt weitere zwei Mio. Euro. Der Betriebskostenzuschuss an die notorisch defizitären städtischen Kliniken soll um fünf Mio. Euro sinken, hierbei dürfte auch ein Landeszuschuss von mehr als 250 Mio. Euro für die Zusammenlegung der Kliniken in Merheim helfen.
Klar ist aber auch, dass sich diese Umschichtungen im nächsten Haushalt 2027 nicht wiederholen lassen. Die Fraktionen müssen nach neuen Einnahmen suchen. Im Februar will das Ratsbündnis eine Verpackungssteuer verabschieden, die 2026 in Kraft treten soll. In Tübingen habe das im ersten Jahr rund eine Mio. Euro gebracht, sagt der CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau. Gewünscht sei allerdings, dass davon ein Lenkeffekt ausgehe, der weniger Müll und damit letztlich wieder weniger Kosten verursache. »Steuerstabilität« sei für ihn einer der wichtigen Punkte des Haushalts, betont Petelkau. Schon im Vorfeld der Haushaltsverhandlungen hatte die CDU eine Erhöhung der Gewerbesteuer abgelehnt, ebenso eine Erhöhung der Grundsteuer, die die Kämmerei zunächst vorgeschlagen hatte. Petelkaus Bündnispartner teilen das nicht unbedingt: »Wir müssen über die Grund- und die Gewerbesteuer sprechen«, sagt Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin. Auch Christian Achtelik von Volt bedauert, dass eine Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuer keine Mehrheit im Rat fand. Die Linke legte einen Vorschlag zur Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes vor, mit der bis 2030 rund 77 Mio. Euro für die Verkehrswende generiert werden sollen. Die FDP lehnte das erwartungsgemäß als »Horrorkatalog« ab.
Die Positionen sind also klar. Nur eine Partei hat sich bislang zurückgehalten: die SPD. Sie kritisierte zwar, dass das Ratsbündnis keine »auskömmliche Finanzierung« bereitstelle. Das Thema Grund- und Gewerbesteuer sparte sie jedoch aus.