Die Sache mit der Verwaltungserfahrung

Wie Grüne und CDU die OB-Wahl im Herbst gewinnen wollen

Seit Januar haben auch Grüne und CDU ihre Kandidat*innen für die OB-Wahl bestimmt. Die Grünen haben sich für die Vizepräsidentin des Landtags Berîvan Aymaz entschieden. Für die CDU markiert der Beschluss, Baudezernent Markus Greitemann zu nominieren, das Ende einer chaotischen Suche. Die SPD wiederum hatte bereits im November Torsten Burmester aufgestellt, der zuletzt Vorstand beim Deutschen Olympischen Sportbund war.

Aymaz, 1972 in einer kurdischen Provinz der Türkei geboren, kam als Kind nach Köln, studierte Rechts- und Politikwissenschaften ohne Abschluss und arbeitete als Übersetzerin und Moderatorin. Von 2014 bis 2017 war sie für die Grünen im Stadtrat, seit 2017 im NRW-Landtag. Aymaz erzielte auf dem Parteitag 91,2 Prozent — andere Kandidat*innen gab es keine.

Aymaz will als erste grüne OB die parteilose Henriette Reker ablösen. Erfahrung in einer großen Verwaltung hat sie nicht. Sie wolle mithilfe ihrer »langjährigen po­litischen Erfahrung«, Empathie, »klarem Kompass, Mut und Zu­versicht« Verantwortung an der Spitze von Rat und Verwaltung übernehmen. Im Interview mit der Kölnischen Rundschau erinnert sie an ihren verstorbenen Vater, der Bürgermeister in der Türkei war. Von ihm habe sie gelernt, dass »politische Gestaltung und Demokratieverteidigung vor allem vor Ort in Städten und Gemeinden« stattfinden. Sie werde den sozialen Wohnungsbau priorisieren, den »Wirtschaftsstandort Köln zukunftsorientiert stärken« und sich für eine vielfältige, solidarische und bis 2035 klimaneu­trale Stadt einsetzen, verspricht sie. Andere heben ihre Fähigkeit hervor, Bündnisse über Parteigrenzen hinweg zu bilden.

Während Aymaz sich für ihre fehlende Verwaltungserfahrung rechtfertigen muss, könnte das Gegenteil für den CDU-Kandidaten gelten. Markus Greitemann, Jahrgang 1960, ist Kölner Baudezernent. CDU-Vorsitzender Karl Alexander Mandl hatte — nach dem gescheiterten Versuch, selbst  Kandidat zu werden — Anfang Januar wissen lassen, ein Kandidat sollte »von außerhalb der Verwaltung kommen.« Wenige Tage später sprachen sich eine Findungskommission und der Vorstand aber einstimmig für Greitemann aus und Mandl verzichtete. Eigentlich hatte Mandl sich auf einem Parteitag Ende November zur Wahl stellen wollen. In einer verunglückten Pressekonferenz hatte er aber das Ratsbündnis seiner Partei mit den Grünen und Volt für beendet erklärt. Er brüskierte damit die unvorbereitete Ratsfraktion um Bernd Petelkau, die zu diesem Zeitpunkt mit den verdutzten Partnern in schwierigen Haushaltsverhandlungen steckte. Anschließend sprachen einflussreiche CDU-Politiker Mandl die Qualifikation für das höchste Amt der Stadt ab.

Greitemann ist seit 2018 Baudezernent in Köln. Auch wenn die Partei nun Geschlossenheit zeigen will, teilen manche Mandls ursprüngliche Vorbehalte. Greitemann ist für mehrere umstrittene Großvorhaben verantwortlich und hat vor kurzem die Zuständigkeit für die Opernbaustelle übernommen. Der lange vernachlässigte Schulbau hat zwar endlich Schub bekommen. Greitemann selbst aber führt das auf die externen Auftragnehmer zurück, die seiner Verwaltung Aufgaben abgenommen haben. Auch der Mangel an bezahlbaren Wohnungen fällt in seine Zuständigkeit. Das »kooperative Baulandmodell« sollte Investoren bei größeren Bauvorhaben zu einem Anteil von 30 Prozent Sozialwohnungen verpflichten. 2014 wurde es beschlossen, doch bis heute wurde keine einzige dieser Sozialwohnungen fertig. Andere Städte sind mit ähnlichen Vorgaben erfolgreicher. Greitemann hat angekündigt, als OB das Baulandmodell fortzuführen und den Wohnungsbau »zur Chefsache« zu machen. Es wäre Zeit.