Hier behindert Nebel die Sicht auf St. Michael — demnächst ein Zaun?

Ruhiger schlafen hinterm Zaun

Am Brüsseler Platz protestiert die Gastronomie gegen den geplanten Lärmschutz

Gastwirte rund um den Brüsseler Platz sehen sich in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Denn ­Mitte Dezember teilte die Stadt Köln mit, dass dort ab Februar die Außengastronomie um 22 Uhr schließen muss. Die Verfügung des Ordnungsamtes ist Teil eines neuen Lärmschutzkonzepts, zu dem auch gehört, dass es freitags, samstags und vor Feiertagen von 22 bis 6 Uhr nicht mehr erlaubt ist, »auf dem Brüsseler Platz oder in den unmittelbaren Grenzbereichen des Platzes zu verweilen«. Sogar eine »erweiterte Einzäunung der Platzflächen rund um die Kirche St. Michael« während dieser Zeit ist geplant, um für Ruhe zu sorgen.

Anlass ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster von Ende September, wonach die bisherigen Maßnahmen der Stadt für den Lärmschutz »evident unzureichend«, die Lärm­werte deutlich zu hoch und die Gesundheit der Anwohner ge­fährdet seien — fünf von ihnen hatten geklagt.

Das Problem ist nicht neu. Um die Nachtruhe am Brüsseler Platz streitet man schon, seit sich während des katholischen Weltjugendtags 2005 und der Fußball-WM 2006 immer mehr Menschen dort bis in die Nacht versammelten. Es gab ein Mediationsver­fahren, persönliche Ansprachen, ­Androhung von Bußgeldern, und mit dem Einsatz von Kehrmaschinen wollte man den teils mehr als hundert Menschen klarmachen, dass sie den Platz um Mitternacht verlassen sollen — all das hat nicht gefruchtet. Der Brüsseler Platz ist Treffpunkt für jene, denen die Gastronomie zu teuer ist, die sich selbst mit Flaschenbier und Imbissen versorgen und die überhaupt lieber spontan entscheiden, wie der Feierabend weitergehen soll.

Maike Block, Geschäftsführerin der IG Kölner Gastro, findet die angekündigten Maßnahmen »unverhältnismäßig« und sieht »einen Eingriff in gleich mehrere Grundrechte«. Block leugnet nicht, dass es zu Ruhestörungen kommt. Aber nicht die Außengastronomie sei das Problem, sondern diejenigen, die am Brüsseler Platz außerhalb der Lokale trinken und feiern. »In der Außengastronomie schreit ja niemand herum oder hinterlässt seinen Müll. Die Gastronomie ist Teil der Lösung, nicht das Problem«, so Block. Sie befürchtet, dass nun Lokale schließen. »Wer nimmt denn noch Platz, wenn schon um zehn Uhr wieder Schluss ist? Da bestellt ja auch keiner mehr um neun Uhr noch eine Flasche Wein. Zumal dann schon begonnen werden muss, die ­Außengastronomie abzubauen.«

Die Maßnahmen sollen Anwohner schützen, schränken sie aber an anderer Stelle dafür einTina Banse, Anwohnerin

Auch Anwohnerinnen und Anwohner kritisieren die Pläne der Stadt. »Die Maßnahmen sollen die Menschen hier schützen, schränken sie aber an anderer Stelle dafür ein«, sagt Tina Banse. »Ich möchte auch noch um 22 Uhr mit meinen Nachbarn vor dem Haus stehen dürfen.« Ein Zaun und ein Verweilverbot würden das Problem bloß verlagern. Banse schlägt stattdessen ein Alkoholverbot vor und »den Platz zu entsiegeln, zu begrünen und zu einem kleinteiligen Treffpunkt für  das Viertel zu machen, bei  dem nicht so viele Menschen Platz finden. Aber wir Anwohner werden kaum eingebunden.« Von einer ­Infoveranstaltung am 28. Januar erwartet sie nur »den üblichen Frontalunterricht.«

Damit die Lärmschutzpläne aber dauerhaft umgesetzt werden können, muss noch der Rat der Stadt zustimmen, Mitte des Jahres könnte das geschehen — doch die Zustimmung erscheint unwahrscheinlich. Ein generelles Verweilverbot sei ein weitreichender Eingriff und man wolle auch die Einschränkungen der Gastronomie verhindern, sagt Manfred Richter, Vize-Fraktionschef der Grünen. »Die Einzäunung der Kirche oder des Platzes ist schlichtweg lebensfremd, das lehnen wir ab.« Ähnlich argumentiert die SPD. Sie sieht in einem »Alkoholkonsumverbot einen Ansatz, um spontane ungeordnete Menschenansammlungen mit hoher Lärmentwicklung zu minimieren, ohne dass der Zugang zum Platz vollständig eingeschränkt wird«. Mit regelmäßigen Lärmkontrollen solle die Wirksamkeit des Alkoholverbots überprüft werden, heißt es in einem Antrag.

Der Streit um die angemessenen Maßnahmen hat nun begonnen. Aber trotz jahrzehntelanger Diskussion ist keine einvernehmliche Lösung in Sicht, obwohl viel Geld und Personal aufgewendet wurden. Manche behaupten, so viel Aufwand werde im Belgischen Viertel nur betrieben, weil es recht wohlhabend ist. Das sieht Anwohnerin Tina Banse anders: »Im Gegensatz zu anderen Veedeln mit ähnlichen Problemen ist hier gegebenenfalls das Engagement höher. Zudem leben hier einige, die nicht wohlhabend sind.«