Who is who unter Palmen: Komisch oder einfach traurig? © NGF CALA

Die Freunde aus der Agentur

Bernhard Wengers Satire »Pfau — Bin ich echt?« handelt von einem zeitgemäßen Geschäftsmodell

Herr Wenger, wie ist die Idee zu »Pfau — Bin ich echt?« entstanden?

2014 hatte ich im New Yorker einen Artikel gelesen über »Rent a Friend«-Agenturen in Japan. Dort können sich einsame Menschen einen Freund oder Verwandten mieten, zum Kaffee trinken, zum Spazierengehen oder für den Opernabend. Aber diese Begleiter*innen werden auch genutzt, um sich in Gesellschaft besser darzustellen, um Macht zu demons­trieren oder um andere zu manipulieren. Ich war fasziniert, legte das Thema aber beiseite, weil ich gerade erst an der Filmakademie zu studieren begonnen hatte. Als ich mich vier Jahre danach an meinen ersten Langfilm wagte, holte ich die Idee wieder aus der Schublade.

Haben Sie reale »Rent a Friend«-Agenturen kontaktiert?

Ja, ich war zur Recherche in Japan, habe Mitarbeitende solcher Agenturen getroffen und wahnsinnig spannende Hintergründe und Einblicke bekommen. Eine Betroffene hat mir erzählt, wie sie durch diesen Beruf, bei dem sie jeden Tag eine andere Person mimt, oft nicht mehr weiß, wer sie selbst ist. Um diesen Grundkonflikt der Hauptfigur, keine eigene Identität zu haben, habe ich meine Filmgeschichte gebastelt.

Der Protagonist Matthias ist ein Mann ohne Eigenschaften. Er stellt lediglich dar, was andere von ihm wollen. Ist ein solcher Charakter eher Traum oder Alptraum für einen Regisseur?

Es war schon eine Herausforderung beim Schreiben des Drehbuchs, so einen ungewöhnlich passiven Protagonisten zu haben, der nicht aus sich selbst heraus handelt, sondern immer nur tut, was seine Auftraggeber sich von ihm wünschen, und der seine Sache in diesen Rollen auch gut macht — ob als belesener Kunstfreund oder ­als bewundernder Sohn eines Geschäfts­manns. Die Diskrepanz zwischen dieser Kunst der Verwandlung und der Verlorenheit und Ratlosigkeit, die in Matthias’ Privatleben herrschen, fand ich an der Figur besonders reizvoll.

Wie kamen Sie für die Hauptrolle auf Albrecht Schuch, den man aus »Lieber Thomas«, »Schachnovelle« oder »Im Westen nichts Neues« kennt?

Ich schätze ihn als wahnsinnig wandelbaren Schauspieler und fand das wichtig bei der Besetzung, weil Matthias auch so wandelbar sein muss. Albrecht schaut man außerdem einfach gern zu, bei allem, was er macht. Diese Anziehungskraft braucht eine Figur wie Matthias, damit das Publikum dranbleibt.

»Pfau — Bin ich echt?« ist eine Satire, hat aber auch tragische Momente. Wie haben Sie den Tonfall gefunden?

Humor funktioniert nur im Zusammenhang mit Tragik. Deswegen habe ich eine skurrile Geschichte um eine dramatische Grundhandlung herum gebaut. Mein eigener Humor hat sich über die Jahre entwickelt. Schon in der Jugend entdeckte ich das skandinavische Kino und britische Komödien mit ihrem schwarzen Humor für mich. Zusammen mit einer gewissen öster­reichischen Grundtragik ist mein persönlicher Stil entstanden. Mich interessieren weniger die Dialoge als das Visuelle. Deswegen tragen in »Pfau — Bin ich echt?« Ausstattung, Kostüme und Schnitt sehr viel zur Komik bei.

Humor funktioniert nur im Zusammenhang mit TragikBernhard Wenger

Basieren die teils absurden Aufträge und Situationen, in die Matthias gerät, auf wahren Begebenheiten?

Manches hat sich tatsächlich so oder in ähnlicher Form abgespielt. Anderes ist erfunden, um die Geschichte des Films erzählen zu können. Wobei ich von etlichen realen Aufträgen weiß, die zu skurril und eigenartig waren, um sie im Kino glaubwürdig rüberzubringen.

Ist »Rent a Friend« auch als europäisches Phänomen vorstellbar? ­

In Europa hat sich das »Rent a Friend«-Konzept zum Glück noch nicht durch­gesetzt. Wobei es einem vielleicht trotzdem bekannt vorkommt, jemanden zu engagieren, um ein bestimmtes Bild in der Gesellschaft zu vermitteln. Es könnte daran liegen, dass diese gemieteten Menschen im wahren Leben möglich machen, was in den sozialen Medien längst Standard ist: sich selbst und sein scheinbar perfektes Leben zu inszenieren, das aber vielleicht nur Fassade ist.

A/D 2024
R: Bernhard Wenger, D: Albrecht Schuch, Julia Franz Richter, Anton Noori
102 Min., Start: 20.2.