Und es hat Zoom gemacht

Babygirl

Halina Reijn inszeniert erotische Machtspiele hinter einer cleanen Unternehmensfassade

Dass »Babygirl« irreführend als Erotikthriller kategorisiert wird, mag abgesehen von Marketingmotiven auch daran liegen, dass die Regisseurin und Drehbuchautorin Halina Reijn gern ihr Faible für einschlägige Genrefilme wie »Fatal Attraction« oder »Basic Instinct« erwähnt. Zudem hat die 1975 geborene Niederländerin in ihrem Spielfilmdebüt »Instinct« tatsächlich die Themen Sex und Verbrechen spannungsreich verknüpft, indem sie eine mehrdeutige Beziehung zwischen einer Gefängnispsychologin und einem Serienvergewaltiger entwarf.

Dagegen scheint in Reijns drittem Spielfilm nach »Bodies Bodies Bodies« nie die Gefahr zu bestehen, dass jemand Opfer einer genretypischen Gewalttat würde. Zwar riskiert der Praktikant Samuel einen prompten Rauswurf, als er sich gegenüber der Firmenchefin Romy buchstäblich unverschämt verhält. Ihr dürften wiederum arbeitsrecht­liche Konsequenzen drohen, falls die anschließende Affäre mit dem jungen Mann ans Licht kommt. Doch der Reiz dieses Dramas liegt gerade darin, dass der Handlungsverlauf durch kein Genremuster vorgeprägt ist.

Stattdessen suggeriert Cristóbal Tapia de Veers hypnotische Musik jenen sprunghaften Leichtsinn, der eine plötzliche sexuelle Obsession wohl ausmacht und folgerichtig die Protagonistin aus ihrer bisherigen Bahn wirft. Matthew Hannams Montage lässt indes den ersten Sexszenen genug Leerlauf, um den lebensnahen Eindruck jenes neugierigen Ungeschicks zu erzeugen, das ungewohnten Partner*innen wahrscheinlich stets anhaftet — zumal solange sie ihre sadomasochistischen Vorlieben nicht kennen.

Ausschnitte aus Videos und medialen Statements, mit denen Romys New Yorker Firma ihre KI-Software für automatisierte Lager­verwaltungen bewirbt, kontrastieren die frivole Heimlichtuerei derweil mit der Rhetorik des gegenwärtigen Kapitalismus. Zugleich ergibt es einen reizvollen Bezug, dass der Ehemann der Protagonistin als Theaterregisseur gerade »Hedda Gabler« inszeniert: So stellt sich die Frage, ob Romys Eskapade einer Rebellion klassischer Ibsen-Figuren gegen gesellschaftliche Zwänge entspricht. Oder ob die floskelhaften Unternehmensbekenntnisse zu Fortschritt oder Diversität es zumindest Führungskräften erleichtern, die Rollen von Karrieristin, Mutter und Ehefrau unter einen Hut zu bekommen — und unterdrückte sexuelle Vorlieben auszuleben.

USA 2024, R: Halina Reijn, D: Nicole Kidman, Harris Dickinson, Antonio Banderas, 114 Min., Start: 30.1.