Ein Ort für Jedermann

Henry Fonda for President

Alexander Horwaths Essayfilm porträtiert den Schauspieler als Symbolfigur wider Willen

Wenn man in den 1960er oder 70er geboren wurde und mit Filmen aus Hollywood aufgewachsen ist, kam man an Henry Fonda nicht vorbei. So ging es auch dem Filmwissenschaftler, langjährigen Leiter der Viennale und Direktor des österreichischen Filmmuseums, Alexander Horwath. Horwaths essayistischer Dokumentarfilm »Henry Fonda for President« dreht sich angenehm mä­andernd um den Schauspieler als Autor, die Traumfabrik und die US-Gesellschaft. Dabei greift er weit zurück in die Vergangenheit: Henry Fondas Vorfahren kamen aus Europa, folgten dem Versprechen des amerikanischen Traums. In Nebraska, einem jener Flächenstaaten, die kaum ein Tourist je besucht, wurde Fonda 1905 geboren. Als Schauspieler verkörperte er lange jenen typischen Jedermann, der vor allem im Kino existiert — als Mythos.

Bis zu seinem Tod 1982 wirkte Henry Fonda in rund 80 Spielfilmen mit, darunter einige der größten Klassiker des US-amerikanischen Kinos: »Früchte des Zorns«, »Faustrecht der Prärie«, »Die zwölf Geschworenen«. Kaum jemand verkörperte den einfachen Mann, den durchschnittlichen aber ehrbaren Bürger so überzeugend wie Fonda. Nicht zufällig spielte er immer wieder Präsidenten, echte und fiktive: In »Der junge Mr. Lincoln« gab er den legendären »Honest Abe«, der zumindest auf dem Papier die Sklaverei beendete und sein Land durch den Bürgerkrieg führte, in »Angriffsziel Moskau« einen namenlosen Präsidenten, der die Welt vor einem Nuklearkrieg bewahren will.

Mit den Jahren wurde Fonda kritischer mit sich und seinem Land, vielleicht auch wegen seiner beiden Kinder Peter und Jane, die zu Gallionsfiguren der Gegenkultur der 60er Jahre aufstiegen: Peter Fonda durch seine Hauptrolle in »Easy Rider«, Jane Fonda als politische Aktivistin, der ihr den despektierlichen Spitznamen »Hanoi Jane« einbrachte.

So beschreibt Horwath den Weg einer allmählichen Entfremdung, die er nicht nur mit viel ­Liebe zum Detail in Fondas Interpretation seiner Rollen hinein­interpretiert. Zur Analyse der Körper­sprache von Darsteller und Figuren kommen historische Exkurse sowie Tonbandaufnahmen des letzten, sehr ausführlichen Interviews von Peter Fonda. Aus diesem geht unter anderem deutlich hervor, dass er Ronald Reagan, jenen Schauspieler, der 1981 tatsächlich Präsident geworden war, weder als Kollegen noch als Prä­sidenten schätzte.

A/ D 2024, R: Alexander Horwarth, 185 Min., Start: 30.1.