Hundreds of Beavers
Einmal im Monat finden sich in Helsinkis WHS Teatteri Union genügend Menschen ein, um eine weitere Vorführung von Mike Chesliks »Hundreds of Beavers« bis auf den letzten Platz zu füllen. Einige haben den Film bei jeder sich bietenden Gelegenheit gesehen, seit er vor drei Jahren Premiere auf dem Night Visions Festival feierte. Als Ryland Brickson Cole Tews, Hauptdarsteller dieser Avantgarde-Komödie sein eigenes Regiedebüt »Lake Michigan Monster« im vergangenen Spätherbst dort präsentierte, befand sich unter anderem ein Mann im Ganzkörperbiberkostüm im Publikum, während Besucher*innen in Helsinki dank einer Vom-Biber-Angefressenen-Baum-Plastik im Eingangsbereich an das Werk erinnert werden. Erstaunlich, dass es einen derartigen Kinokult um den Film außerhalb der USA bislang nur in der finnischen Hauptstadt gibt. Aber vielleicht auch bald in Köln?
Chesliks im wilden 19. Jahrhundert situiertes, angenehm budgetfrei realisiertes Meisterwerk funktioniert ein wenig wie ein Jump ’n’ Run-Spiel aus den frühen Heimcomputer-Tagen: Um seine Adorata zu gewinnen, muss sich ein Apfelschnapsbrenner ihrem Vater gegenüber als würdig (sprich: reich) erweisen — wofür er sich mit der gesamten lokalen Biberpopulation anlegt. Die wiederum lebt nicht in einem einfachen Bau, sondern in einer riesigen holzverarbeitenden Fabrik, durch die sich der Apfelschnapsbrenner listig kämpfen muss ...
Im Tiefschnee in einem scheinbar leeren Wald zu überleben, muss der Held zunächst genauso erlernen, wie sich Charlie Chaplin, Buster Keaton oder Harold Lloyd in ihren Filmen oft Berufe und deren Handgriffe wie Kniffe durch versagensreiches Mühen anzueignen wussten. Cheslik hat seine Vorbilder bestens studiert: Er weiß, wie man einen Gag bis zum Ausreizen variieren kann, wie die komischen Situationen immer komplexer und damit die Witze immer abstrakter, surrealer werden dürfen — und in welchem Tempo das zu geschehen hat. Nämlich zügig, aber nie so schnell, dass nicht doch noch ein wenig Raum wäre für Überraschungen. Zum Beispiel durch Traumsequenzen oder Auftritte von Figuren, die nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun haben und in der Folge nie wieder zu sehen sein werden — die aber eben auch ihren festen Platz in diesem phantastischen Schneewestern-Kosmos haben.
USA 2022, R: Mike Cheslik, D: Ryland Brickson Cole Tews, Olivia Graves, Wes Tank, 108 Min., Start: 13.2.