Der Mord des Autors
Reginald T. Brogus hat sich schon mehrfach neu erfunden. In den 60er Jahren war er ein militanter Black-Power-Aktivist, der in den Untergrund ging. In den 80er Jahren reüssierte er als neokonservativer, über Schwarze »welfare moms« schwafelnder Talkshow-Dauergast und im Februar 1992 ist er Professor am »Afrikamerika-Institut« eines sehr angesagten Colleges und hat ein Problem: In seinem Büro liegt die Leiche einer weißen Studentin. Er wendet sich an seinen Kollegen Clay Rubinette, der ihm zur Flucht verhilft und sich anschließend selbst daran macht, den Fall zu lösen.
Es ist ein durch und durch interessantes Panorama, das Jake Lamar in seinem Krimi »Das Schwarze Chamäleon« zeichnet. Die Polizeigewalt gegen Rodney King, die in den LA Riots mündete, und der Skandal um die sexuellen Übergriffe des Schwarzen Supreme-Court-Richters Clarence Thomas bilden den Hintergrund, vor dem Lamar eine Mischung aus klassischem Krimi-Whodunnit und Campusroman erzählt. Darin handeln Dozierende trotz aller Polit-Rhetorik wie egoistische Kleinbürger, die Paranoia vor dem FBI ist omnipräsent und wer sich ein wenig mit Afro-Amerikanischer Zeitgeschichte auskennt, wird viele der Anspielungen entschlüsseln können.
»Das Reich der Glaubwürdigkeit hatte noch nicht seine aktuellen abenteuerlichen Ausmaße angenommen«, lässt Lamar seinen Ich-Erzähler Clay Rubinette schreiben, und es ist einer der vielen Hinweise darauf, dass in diesem Krimi die Wahrheitsfindung etwas schwieriger werden könnte. Denn Rubinette hat seinen vorherigen Job als Journalist verloren, weil er sich Zitate ausgedacht hat und ist nun Dozent für »Creative Non-Fiction«. Wie zuverlässig kann so jemand über einen Kriminalfall berichten, in den er nicht ganz unverwickelt ist? Denn Jenny, die tote Studentin, war seine Geliebte.
»Das Schwarze Chamäeleon« ist 2024 nach 23 Jahren auf Deutsch erschienen und wurde direkt mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet. Das liegt sicher daran, dass die Kulturkämpfe der 90er heute als Farce erneut aufgeführt werden und der feine Humor dieses durchaus spannenden Romans sich so erneut perfekt entfalten kann.
Jake Lamar: »Das Schwarze Chamäleon«, 328 Seiten, 22 Euro
Di 11.2., Buchhandlung Goltsteinstraße, 20 Uhr