Nicht nur in Kalligraphie bewandert: MOK-Direktorin Shao-Lan Hertel

Zwischen den Epochen

Das Museum für Ostasiatische Kunst befindet sich unter der neuen Direktorin Shao-Lan Hertel im Prozess der Neuerfindung

Am Aachener Weiher muss man härter kämpfen, wie die ehemalige Direktorin des Museums für Ostasiatische Kunst (MOK), Adele Schlombs, lange Jahre zu beweisen hatte. Das MOK schien immer wieder hintan­zustehen, wenn es um die Verteilung der Gelder an die acht städtischen Museen ging. Seit Juli 2023 ist Shao-Lan Hertel die neue wissenschaftliche Direktorin — und offensichtlich hat sie die Energie mitgebracht, die es hier braucht. Der Terminkalender ist übervoll, am nächsten Tag geht es auf Dienstreise, doch sie sitzt einem hochengagiert gegenüber.

Hertel, die eine Gastprofessur an der Freien Universität Berlin und mehrere Forschungsaufenthalte in China in ihrer Vita stehen hat, war sich durchaus bewusst, dass sie ein großes Erbe antritt. Sie meint damit nicht nur ihre Vorgängerin, sondern ebenso Roger Goepper, unter dem das MOK 1977 seinen heutigen Standort bezog. Zum 50. Jubiläum des Einzugs, in die von einem der einflussreichsten japanischen Architekten der Moderne geplante Museumsanlage — Kunio Maekawa —, hat die 43-Jährige schon eine große Sonderausstellung zur Architektur in Ostasien in Arbeit.

Das MOK war das erste auf die Kunst Ostasiens spezialisierte Museum in Europa und ist mittlerweile das einzige in Deutschland

Mit dem großen Erbe sind aber auch Adolf und Frieda Fischer gemeint. Das Ehepaar Fischer gründete das 1913 am Hansaring eröffnete Museum für ihre Sammlung japanischer, chinesischer und koreanischer Kunstwerke. Diese hatten sie als enthusiastische Fans der asiatischen Kultur über mehr als ein Jahrzehnt zusammengetragen. Das MOK war das erste auf die Kunst Ost­asiens spezialisierte Museum in Europa und ist mittlerweile das einzige in Deutschland. Im Laufe des Zeit haben Ankäufe und bedeutende Stiftungen seine Sammlung bereichert.

In Köln ist das wohl immer noch nicht allen bewusst. Darum ist Sichtbarkeit für Shao-Lan Hertel das große Thema. Sie weiß, dass ihr Haus heute ein diverseres Publikum adressieren muss, als vor 112 Jahren. Bei der Museums­nacht 2023 legte der japanische DJ Wata Igarashi modernen Techno auf. Ihre erste selbst kuratierte Ausstellung zeigte mit Helena Parada Kim eine junge Kölner Malerin koreanisch-spanischer Herkunft, die in ihrem Werk die Traditionen beider Kulturen remixt. Hertel interessieren solche kreativen Diskurse zwischen Ost und West oder Vergangenheit und Gegen­wart.

Das Ausstellungsangebot in diesem Jahr soll spannend bleiben. Neben den in der japanischen Druckkunst singulären Radierungen eines Tanaka Ryohei, kann man ab April den chinesischen Künstler Jianfeng Pan entdecken, der die traditionelle Schreib- und Malkunst Chinas in eine universelle Bild­sprache übersetzt und als »Social Calligrapher« agiert. Hertel kennt ihn seit Jahren, weil sie den gleichen Meister hatten — sie lernte die Kunst der Kalligrafie für ihre Doktorarbeit.

Eine öffentliche Ritualzeremonie zur Weihung von buddhistischen Gott­heiten, durchgeführt von Mönchen eines Tempels in Seoul, bildet im Mai den Auftakt zu einer Präsentation von Kunstwerken und Objekten mit Bezug zum Buddhismus in Korea. Und dem »Mythos Ming«, dem berühmten Blau-Weiß-Porzellan aus der chinesischen Ming-Periode (1368-1644), widmet sich ebenfalls ab Mai eine Schau, die seine Handelsgeschichte während dieser Epoche und seinen Einfluss auf die persische, osmanische und nieder­ländische Fayence-Keramik in den Fokus nimmt.

Die regionale Wahrnehmung wie den internationalen fachlichen Austausch soll die weitere Erschließung der prächtigen Sammlung des MOK befördern. Eine Stiftung finanziert die einjährige Projektmitarbeit zweier Gast­wissen­schaftler, die sich unter anderem mit dem Bestand der koreanischen Seladon-Keramik aus der Goryeo-Zeit und seiner Provenienz beschäftigen. Wenn es irgendwann mit dem Relaunch der Website klappt, für den die städtischen Mittel ausgingen, wird man dort mehr über die Besonderheit beispielsweise der Maebyeong-Vasen — Pflaumenblütenvasen — und ihren Weg aus dem Korea des 12. Jahrhunderts ins MOK erfahren können. Laut der Direktorin gibt es hinsichtlich der Provenienzen der Sammlungsobjekte keine konkreten Verdachtsmomente, aber Sichtbarkeit meine eben auch Transparenz. Die Digitalisierung der Reisetagebücher von Adolf und Frieda Fischer ist deshalb schon länger in Arbeit. Ein erstes Ergebnis ist die faszinierende, noch bis März laufende Ausstellung »Streif­züge« zu ihren Aufenthalten 1897–1899 in Japan und Formosa, dem heutigen Taiwan.

Ungewollte Schlagzeilen bescherte dem Museum nur zwei Monate nach Hertels Antritt der Raub von neun kostbaren chinesischen Porzellanen. Zwei Einbruchsversuche waren vorausgegangen und die Sicherheitsvorkehrungen danach verstärkt worden. Eine mit Stahl verschweißte Holzplatte schützte das zerstörte Seitenfenster. Die Anfertigung der höheren Widerstandsklasse hatte sich verzögert — die Täter nutzten ihre Chance. Nachdem alle neuen Sicherheitsauflagen erfüllt und die Versicherungssumme von 1,3 Millionen Euro an die Stadt Köln ausgezahlt war, gab es noch eine unangenehme Überraschung: Das Geld wurde »entsprechend der im Land NRW gültigen Bilanzierungsregeln« im gesamtstädtischen Haushalt verbucht, das MOK erhielt keinen Cent. Hertel möchte sich dazu nicht äußern, doch an anderer Stelle hört man, dass sich der Förderkreis des Museums mit dieser Entscheidung noch nicht abgefunden hat.

Auf die hochklassige Sammlung konzentriert sich im Dezember eine Schau zum darauffolgenden »Mondjahr des Pferdes«. Das Tierkreiszeichen des auch von Korea und Japan übernommenen chinesischen Mondkalenders dient als Anlass, das Pferd als Bedeutungsträger kulturübergreifend mit Kunstwerken aus dem eigenen Bestand vorzustellen.

Noch eine langfristige Planung soll hier verraten werden. Um den Drachen, aus westlicher wie globaler Sicht, geht es in einem Kooperationsprojekt mit dem Museum Schnütgen und dem Hessischem Landesmuseum Darmstadt, das 2027 in Köln im Sonderausstellungsbereich des Kulturzentrums am Neumarkt Station macht.

Apropos Neumarkt: Seit Januar dieses Jahres ist Anne Fischer die geschäfts­führende Ko-Direktorin des Rautenstrauch-Joest-Museums und des Museums für Ostasiatische Kunst. Sie ist vor allem für die betriebs­wirt­schaft­liche Planung zuständig . Es kann für die beiden Museen eigentlich nur von Vorteil sein, dass sie auch Kunstgeschichte studierte.

Museum für Ostasiatische Kunst

Universitätsstraße 100
Aktuell: »Tanaka Ryohei. From Line to Landscape«, bis 13.4.
Di–So 11–17 Uhr