Das Trauma von Generationen
Dieses Massaker gehört sicher zu den grausamsten der Kolonialzeit: Bis zu 400 westafrikanische Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg für Frankreich gekämpft hatten, wurden 1944 in einem Lager in der senegalesischen Stadt Thiaroye zusammengepfercht. Anstatt ihren Sold zu erhalten, wurden sie von französischen Kolonialbeamten einfach erschossen. Erst vor gut einem Monat, am 80. Jahrestag, hat Emanuel Macron die Ereignisse erstmals als Massaker anerkannt – davor wurden sie als Meuterei relativiert. Von Wiedergutmachung ist noch lange nicht die Rede.
Das Stück »Aus dem Schatten: Thiaroye« von der französisch-rumänischen Autorin Alexandra Badea erzählt, wie sich das Trauma in den Familien der Beteiligten weitervererbt. Zum Glück wurde die deutsche Erstaufführung dem Kölner Filmemacher Poutiaire Lionel Somé übergeben, der damit nicht nur zum ersten schwarzen Regisseur am Schauspiel Köln wird, sondern auch zum Autor seiner eigenen Geschichte: Somé stammt aus Burkina Faso und hat an der KHM studiert. Kurz vor den Proben erfuhr er, dass er selbst Nachkomme eines sogenannten »Senegalschützen« gewesen ist (deren wahre Identität mit diesem Begriff verschleiert wird).
Die Geschichte des etwas sperrigen Stücks spielt auf drei Ebenen, erst zum Schluss wissen wir, wie sie zusammenhängen, durch die Recherchen der Journalistin »Nora«. Im Zentrum der Bühne steht ein großes Bett im Jahr 1970: Hier wird Amar von Alpträumen mit seinem Vater verfolgt, der in Thiaroye ermordet wurde. Seine Freundin Nina holt ihn liebevoll zum Schlafen zurück. Bald bekommen sie ein Kind — doch Amar verschwindet, um seiner Vergangenheit nachzugehen.
Rechts am Bühnenrand sehen wir den späteren Sohn der beiden, Biram, im Jahr 2005, der als Banker in Rausch und Partys ertrinkt; und links im Bild einen Mann, der sich um seinen sterbenden Vater kümmert. Somé inszeniert den Text respektvoll, aber auch etwas spröde. Großartig sind die Videoeinspielungen, die uns Amars Träume, aber auch historische Dokumente nahebringen — etwa jene umstrittene Rede von Nicolas Sarkozy von 2007, in der er Afrika als »Kontinent ohne Geschichte« bezeichnet. Berührend ist am Schluss das Begräbnisritual unter dem Baoab-Baum, eine tröstliche, versöhnliche Geste — am Ende eines wichtigen Theaterabends.
Schauspiel Köln, 1.2., 20 Uhr