»Was ich sonst noch verpasst habe« Lucia Berlin
Zur Abtreibung über die texanische Grenze nach Juárez? Die Figuren aus Lucia Berlins Short Stories sind schon in den 1970er Jahren dazu gezwungen. 2015, als der Auswahlband »A Manual for Cleaning Women« erschien, wurde die 2004 verstorbene US-Schriftstellerin mit dem romanesken Namen wiederentdeckt, ein Jahr später erschien die Sammlung in glänzender Übersetzung von Antje Rávik Strubel unter dem Titel »Was ich sonst noch verpasst habe«.
Aktuell ist es dennoch. Ein Buch von einer großen Vielsprachigkeit, durchaus mischt sich das Spanische hier und da in ihre Prosa, aber vor allem durchkreuzen sich die Milieus und die Tonalitäten. Die US-Protagonistinnen dieser Stories begleiten die politisch engagierte US-Lehrerin ihres Auslands-Colleges auf White-Saviour-Safari durch die Armenviertel von Santiago de Chile. Sie arbeiten in Oakland als Rezeptionistin im Krankenhaus, wo italienischstämmige Großfamilien sich von ihrem Sohn verabschieden, und im Nebenbett liegt ein Alkoholiker. Aus einem riesigen Weltwissen schöpft Lucia Berlin, eng entlang ihrer unsteten eigenen Biografie, in einem Sound, der die karge Mündlichkeit der amerikanischen Straße aufbricht mit einer poetischen Bildlichkeit und einem Auge für die Dingwelt.
Arche, 384 Seiten, 22,99 Euro