Null nach Zufallsprinzip
Für Stefan Charles dürften es nicht die angenehmsten Wochen gewesen sein. »Es ist nicht zu wenig da, es ist nur falsch verteilt«, rief jemand aus dem Publikum, als der Kulturdezernent der Stadt Köln Anfang Dezember beim Tanz- und Theaterpreis gerade über die Kürzungen für die Kulturszene sprach. Zwei Wochen zuvor hatte die Stadtverwaltung den Haushaltsentwurf für 2025 und 2026 vorgestellt — für die Kölner Kulturlandschaft sah er empfindliche Einschnitte vor: Das Acht-Brücken-Festival für Neue Musik und die Akademie der Künste der Welt sollten abgewickelt werden, viele kleinere Projekte ihre Zuschüsse komplett verlieren, mit weniger Geld oder ohne Inflationsausgleich auskommen.
Die Kulturpolitik war über die Kürzungen im Vorfeld nicht informiert. »Ein Kommunikationsdesaster«, sagt Maria Helmis-Arend, kulturpolitische Sprecherin der SPD: »Man erfährt aus der Zeitung mehr als vom Kulturdezernenten«. »Uns haben ein Konzept, bessere Steuerung und nachvollziehbare Kriterien gefehlt«, sagt Brigitta von Bülow, kulturpolitische Sprecherin der Grünen. Die Kürzungen seien meistens »formal begründet«, erklärte Charles im Kulturausschuss und bestätigte damit seine Kritiker:innen.
Der Großteil eines kommunalen Haushalts wird für Aufgaben verwendet, die Kommunen erfüllen müssen, weil es ihnen Bundes- und Landesgesetze so vorgeben. Dazu zählen etwa der Schulbau, aber auch die Feuerwehr. Anders sieht es bei den »freiwilligen Aufgaben« aus, zu denen die Förderung von Kultur oder Sport gehört. Hier hat die Kommune die finanzielle Hoheit über die Kosten: Bei der Kultur wird also gekürzt, weil sie haushaltsrechtlich als verzichtbar gilt. Das steht im Gegensatz zu den politischen Beteuerungen, die der Kultur — von den Stadtteilbibliotheken bis zur Oper — eine wichtige Rolle für die individuelle Entfaltung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zuschreiben. Dass zunächst Projekte für kulturelle Teilhabe — darunter fällt für die Stadt etwa »Diversität, Inklusion, Inter- und Transkultur, Gleichstellung« — von den Kürzungen überproportional betroffen sein sollten, unterstreicht diese Ironie noch.
Um große Summen geht es dabei nicht. Der Kulturbereich umfasst 325 Mio Euro, das sind etwas mehr als fünf Prozent des Gesamthaushalts für 2025. Dieses Geld fließt zu etwa gleichen an die städtischen Museen und Einrichtungen und in die Kulturförderung. Unter letztere fallen auch die städtischen Bühnen, die mit etwa 102 Millionen den größten Anteil ausmachen, wozu aber zum Teil auch die Sanierungskosten für Oper und Schauspiel zählen. Der Rest, etwas über ein Prozent des Gesamthaushalts, ist der Zuschuss an die verschiedenen Projekte und nicht-städtischen Einrichtungen. Gerade da sollte gekürzt werden. »Über die Kulturausgaben lässt sich ein Haushalt nicht konsolidieren«, erklärte Lorenz Deutsch, kulturpolitischer Sprecher der Kölner FDP, im Deutschlandfunk.
Das sah das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt offenbar ähnlich. In langen Beratungen hat es beschlossen, einen Teil der Kürzungen zurückzunehmen. Die Akademie der Künste der Welt soll weiter abgewickelt werden, Acht Brücken soll Teil einer neuen Festivalgesellschaft werden, in der Ideen für seine zukünftige Finanzierung entwickelt werden. Gürzenich Orchester und Bühnen bekommen weniger Geld als vorgesehen, und sollen pro verkauftem regulären Ticket einen Solibeitrag an die Freie Szene abführen — eine Idee, die im Vorfeld auch die SPD geäußert hatte. Auch die Kulturförderausgabe (»Bettensteuer«) fließt zukünftig stärker in die Kultur.
»Es war uns wichtig, Strukturen für die freie Szene erhalten zu können und auch den Bereich der kulturellen Bildung mit abzusichern«, sagt von Bülow. Der Haushalt sei eine Zäsur, sagt sie: »Für die nächsten Jahre sieht es eher noch schwieriger aus.« Man müsse frühzeitig an den Haushalt 2027 denken, die Zeit nutzen, um Strukturen zu überdenken und Ziele zu definieren Maria Helmis-Arend (SPD) fordert daher eine Revitalisierung der Kulturentwicklungsplanung: »Aktuell ist die eine lame duck«.
Erste Ideen dafür hat das Ratsbündnis bereits beschlossen: So strebt es Synergieeffekte für die Museen an, etwa ein gemeinsames digitales Ticketingsystem. Auch eine Zusammenlegung einzelner Häuser wird nicht ausgeschlossen. Bis Frühjahr 2026 soll die Stadtverwaltung Vorschläge ausarbeiten.
Und dann sind da noch die Kulturbauten. Die mittlerweile 1,5 Milliarden Euro teure Sanierung der Oper bringt ungewollt die gesamte Kulturszene in Legitimationsprobleme. In naher Zukunft müssen noch weitere Kulturbauten renoviert werden. Die Kosten für die Sanierung des Wallraf-Richartz-Museum sind mit 155,7 Mio. Euro jetzt bereits ein Drittel höher als geplant. Auch bei der Philharmonie und dem Museum Ludwig, beide bald 40 Jahre alt, ist ein Sanierungsbedarf absehbar. Hinzu kommt der Neubau eines Zentraldepots für die Kölner Museen, für den im aktuellen Haushalt 13 Millionen eingeplant sind. »Passt das noch in die Zeit?«, fragt Maria Helmis-Arend. »Seit anderthalb Jahren warten wir darauf, dass uns im Kulturausschuss endlich eine Liste für die Kulturbauten vorgelegt wird. So entzieht man sich einer Debatte, die dringend geführt werden muss.« Und Brigitta von Bülow sagt: »Das ist mehr als unerträglich.«
Es passt ins Bild. Denn auch von Kulturdezernent Stefan Charles ist seit Anfang Dezember nichts mehr zu hören gewesen.
Christian Werthschulte
»Förderung verpufft nicht«
Haushaltskürzungen betreffen die Filmszene als Gesamtlandschaft, sagt Johannes Duncker, Leiter des Kurzfilmfestival Köln
»Wir bringen Drittmittel ein, wir beschäftigen Leute, die in Köln leben, unser Publikum kommt zum Teil von außerhalb und gibt hier Geld aus, wir bezahlen Kölner Kinos, indem wir sie für Vorführungen mieten. Die Förderung verpufft nicht, sie fließt zu großen Teilen zurück in die Stadt«, so beschreibt Johannes Duncker, Leiter des Kurzfilmfestival Köln (KFFK) den Kreislauf, der durch eine »chronisch unterfinanzierte« Institution wie das KFFK in Schwung gehalten wird.
Eigentlich benötige die »Filmkultur insgesamt einen Zuwachs von rund 30 Prozent, nur um Kostensteigerungen aufzufangen«, heißt es in einer Stellungnahme zum Haushaltsentwurf 2025/26 des Vereins KINOaktiv, in dem zahlreiche Akteure der Kölner Filmszene zusammengeschlossen sind. Johannes Duncker vom KFFK geht davon aus, dass sein Festival Gelder aus der Strukturförderung erhält, weist aber darauf hin, dass es sich dabei um einen auf mehrere Jahre festgeschriebenen Betrag handelt, der stagniert, während die Ausgaben stetig steigen. Derweil hat die Film- und Medienstiftung NRW als weitere Förderinstitution auf Landesebene dem KFFK im vergangenen Jahr bereits 10.000 Euro weniger zugesprochen. Heißt: Nicht nur angesichts der Inflation muss das KFFK zukünftig mit niedrigerem Budget auskommen, sollte es dem Festival nicht gelingen, zusätzliche Mittel aus anderen Quellen zu erhalten.
Laut KINOAktiv wirbt die gesamte Sparte für jeden Euro Förderung der Stadt Köln bislang rund weitere 2,4 Euro ein. Die zusätzlichen Gelder kommen aus Bundes- und Landesmitteln, von Stiftungen, sonstigen Förderern und Sponsoren. Der Anteil der Stadt Köln an der Gesamtfinanzierung des KFFK etwa beträgt etwas mehr als ein Drittel.
Duncker sieht sich und andere Projekte, die zum Teil von einzelnen Personen vorangetrieben werden und durch Einsparungen in der Projektförderung nun am seidenen Faden hängen, nicht als Bittsteller. Man wisse aus Erfahrung, was an Finanzierung gebraucht wird. Anders gesagt: In den Förderanträgen steht, wieviel die Stadt mindestens investieren muss, um nicht an kulturellem Kapital zu verlieren.
Dass die finanzielle Förderung von Kultur eine Investition in die Zukunft ist, lässt sich tatsächlich gut in Bezug auf die kreative Infrastruktur beobachten, die mit dem KFFK verbunden ist: Jungen Filmemacher*innen wie Absolvent*innen der hiesigen Filmhochschulen bieten sich dort Möglichkeiten, ihre Arbeiten im Kino zu zeigen. Dementsprechend interessiert sich auch ein junges Publikum fürs KFFK. »Für viele ist es die erste Auseinandersetzung mit Kurzfilmen und die erste Festivalerfahrung überhaupt«, so Duncker. Das KFFK macht die Stadt als Lebens- und Arbeitsmittelpunkt für den Nachwuchs an Film- und Medienschaffenden reizvoller, auf dem Festival können Kreative Kontakte knüpfen, Künstler*innen und Publikum einander auf Augenhöhe begegnen. Und Kurzfilme laufen dort, wo sie hingehören: im Kino.
Johannes Duncker empfindet keine Erleichterung, falls sein Festival überleben würde, aber andere verschwinden oder ihr Programm reduzieren müssten. »Jeder Einschnitt bei einem anderen Festival schlägt sich negativ auf uns nieder. Weil es Austausch und Wechselwirkungen gibt und man die Filmfestivals als Gesamtlandschaft betrachten muss.« Die Fülle der Kölner Filmkultur wird durch das Neben- und Miteinander von KFFK, Filmnetzwerk LaDOC, Köln im Film, Internationales Frauen Film Fest Dortmund + Köln, Filmclub 813, Filmhaus, Allerweltskino, Dokomotive Plattform, Filminitiativ Köln / Afrika Film Festival sowie vielen weiteren leidenschaftlich für den Film Arbeitenden sichtbar.
Es erscheint als Versäumnis des Kulturdezernenten, im Vorfeld des Haushaltsentwurfs nicht den Dialog mit den Vetreter*innen der Branche, beispielsweise über den Verein KINOaktiv gesucht zu haben, um angesichts der angekündigten Sparmaßnahmen eine solidarische Lösung für die Kölner Filmszene zu finden. Eine Antwort auf deren Stellungnahme ist die Stadt bislang schuldig geblieben.
Wolfgang Frömberg
Nicht zu Ende geschrieben
In Köln gibt es endlich wieder eine nennenswerte und junge Literaturszene. Nach den Haushaltkürzungen stellen sich viele die Frage: Wie lange noch?
»Das ist sehr ärgerlich!« Auch wenn André seine Stimme selten hebt, dieser Satz, fällt immer wieder, wenn er über den Haushaltsplan der Stadt Köln spricht. Patten ist Autor, Mitgründer der Lesereihe »Land in Sicht« und im Vorstand der »Literaturszene«, der Interessensvertretung der Kölner … na was wohl? Von den anstehenden Kürzungen im Kulturhaushalt hat er dennoch aus den Medien erfahren: »Die Verantwortlichen haben im Vorfeld keinen Kontakt zur Szene gesucht«, erzählt er.
Etwa 470.000 Euro sind 2025 für die gesamte Kölner Literaturszene vorgesehen. Es ist ein kleiner Posten im Kulturetat, aber im Literaturbetrieb kann man auch mit wenig Geld viel möglich machen: den städtischen Zuschuss für das Literaturhaus Köln oder Stipendiengelder etwa, aber vor allem Förderung für Literaturreihen oder Festivals wie den Kinder- und Jugendbuchtag und viele andere. Ursprünglich sollte um knapp 16 Prozent gekürzt werden, nun sind es sechs Prozent geworden.
Aber auch das hat Folgen: Die Crime Cologne ist auf Null gesetzt; die Reihe »Stimmen Afrikas«, die Autor:innen aus Afrika oder der afrikanischen Diaspora nach Köln geholt hat, wurde »aufgrund der zunehmend schwierigen Fördersituation« eingestellt — nach 15 Jahren.
Andere machen einfach weniger — so wie die Reihe [OHNE PRONOMEN]. Dort sprechen Menschen bei freiem Eintritt über queer-feministische Perspektiven auf Literatur. Eigentlich findet die Reihe vier Mal im Jahr statt, 2025 sind aber nur zwei Veranstaltungen geplant. »Unsere Hoffnung ist, dass wir mit einem kleineren Programm besser durch die Förderung kommen«, sagt Mit-Organisatorin Jennifer De Negri. [OHNE PRONOMEN] finanziert sich durch die Fördergelder von der Stadt, dem Land und der Kunststiftung NRW. Bestätigt waren Anfang Januar noch keine davon: »Wir werden deshalb nicht vor Mai oder Juni starten können.« Und falls die Fördergelder nicht im gleichen Maße kommen? »Vielleicht Crowdfunding, aber das wäre ein langwieriger Prozess. Oder wir reduzieren bei der Zahl der Podiumsgäste«, meint De Negri und wirkt etwas ratlos. »Für die Literaturszene ist es schwieriger, von privaten Stiftungen und Unternehmen finanziell gefördert zu werden«, erläutert André Patten. Einen Roman kann man sich halt nicht an die Wand hängen und eine Lesung ist weniger glamourös als ein Theaterbesuch.
[OHNE PRONOMEN] ist ein Teil der neuen Literaturszene Kölns, die sich in den letzten fünf Jahren herausgebildet hat. Einen Anteil daran haben auch die Schreibstudiengänge an der Universität zu Köln oder der KHM, wo auch De Negri studiert. »Die Szenebildung funktioniert wunderbar«, sagt André Patten, der in Leipzig Kreatives Schreiben studiert hat. Die Reihe »Land in Sicht« haben er und seine Mitstreiter in den Zehner Jahren ins Leben gerufen hat, als Berlin der Sehnsuchtsort für alle Schreibenden war, und die Kölner Literaturszene noch etwas übersichtlicher. »Es wäre schade, wenn die Leute, die seitdem nach Köln gekommen sind, es wieder verlassen«, sagt er. Denn gerade Autor:innen aus kleineren Verlagen sind auf Reihen wie »Land in Sicht« oder »Literatur zur Zeit« im King Georg angewiesen — wegen der Publicity, aber vor allem wegen der Honorare. Von Buchverkäufen zu leben, ist nur Bestseller-Autor:innen möglich.
»Unsere Kosten sind in den letzten Jahren um 20 Prozent gestiegen. Auch die Förderbürokratie wird nicht weniger«, sagt Bettina Fischer vom Literaturhaus Köln. Mit jährlich etwa 150 Veranstaltungen ist es der größte nicht-kommerzielle Literaturveranstalter der Stadt. Die städtische Förderung wurde um 10.000 Euro auf 205.000 Euro gesenkt. »Unsere Veranstaltungen sind gut besucht, aber unsere Räume nicht so groß, um kostendeckend zu arbeiten«, sagt Fischer. »Wir müssen vorsichtiger planen und werden weniger Veranstaltungen anbieten.« Auch wird das Programm vermutlich deutschsprachiger werden — Übersetzer:innen bzw. Sprecher:innen, die aus der übersetzten Fassung eines Textes vorlesen, sind ein zusätzlicher Kostenfaktor. Für eine Literaturszene, die auch die Mehrsprachigkeit der Stadtgesellschaft abbilden will, ein weiterer Rückschlag. »Wir haben in letzten Jahren ein gutes literarisches Ökosystem in Köln aufgebaut«, sagt Bettina Fischer: »Es wäre falsch, wenn das jetzt für eine vergleichsweise geringe Einsparung herbe Rückschläge erfahren wird.«
Christian Werthschulte
Kein goldener Löffel
In der Freien Theaterszene drohen sich die prekären Arbeitsbedingungen zu verschärfen
Es wird umgebaut. In der Alten Versteigerungshalle auf dem Großmarkt-Gelände rücken die Mitglieder der Theatergruppe wehr51 Requisiten über die Bühne. Gerade arbeiten sie an den Proben für »Liquid«, dem zweiten Teil des »Nachhaltigkeitszyklus«, in dem sich das freie Ensemble mittels immersiver Kunstformen — also mit Tanz, Performance, Installation und Audiowalks — mit dem Klimawandel auseinandersetzt. Zuletzt im Rautenstrauch-Joest-Museum, mit einer Sterbebegleitung für eine alte Eiche.
Andrea Bleikamp, Regisseurin und Dramaturgin, begleitet die Gruppe seit vielen Jahren als künstlerische Leitung. Sie ist zudem Vorsitzende im Verein Darstellender Künste Köln, der in den vergangenen Monaten mit Demonstrationen auf die prekäre Lage der Freien Szene aufmerksam machte. »Fördern statt Kaputt sparen« war dort auf Plakaten zu lesen — und auch Andrea Bleikamp findet: »So prekär wie jetzt war es noch nie. Zum ersten Mal denke ich, ich müsste mir eigentlich einen anderen Job suchen.«
Gestiegene Kosten, etwa bei der Raummiete, und die Bindung an Mindesthonorare machen die künstlerische Arbeit in den letzten Jahren zunehmend schwer. »Es ist mir ganz wichtig, dass Künstler*innen bei wehr51 fair bezahlt werden«, sagt Andrea Bleikamp. »Als künstlerische Leitung ist mein eigenes Honorar aber dann schlussendlich das einzige, an dem ich sparen kann — und da wird es immer enger.«
Der im November 2024 vorgelegte Entwurf für den Doppelhaushalt 2025/26 bedrohe »die Arbeitsfähigkeit der Kultureinrichtungen, Existenzen von Künstler*innen und Arbeitsplätze«, heißt es in einer Stellungnahme des Kölner Kulturrates. Und auch das KulturNetzKöln, die kulturpolitische Interessensvertretung der Freien Szene, schreibt: »Wenn die für die kommenden Jahre in Stadt, Land und Bund geplanten Haushaltskürzungen in der Kultur wirklich durchgesetzt werden, stehen viele freie Institutionen und Gruppen, Künstler*innen und Projekte vor dem Aus.« Nun sind die Kürzungen weniger stark geworden, die Sorgen aber nicht verschwunden.
»Das ist eine Kulturpolitik, die ich nicht nachvollziehen kann«, sagt auch Daniel Schüßler von Analog. Gerade feierte er mit seiner freien Theatergruppe ihr 20-jähriges Bestehen, mit großem Fest, Installationen und Podiumsgespräch im Club Bahnhof Ehrenfeld. Doch es besteht die Gefahr, dass auch diese etablierte Struktur bröckelt. »Ob es Analog in der jetzigen Form noch geben kann? Keine Ahnung«, sagt Daniel Schüßler. »Gerade sind wir halbwegs gut aufgestellt. Wir haben Preise gewonnen, sind zu Gastspielen eingeladen, aber die Lage ist extrem vulnerabel. Es gibt keine Absicherung.«
Denn die geplanten Kürzungen hätten nicht nur weniger Geld bedeutet, sondern auch das empfindliche Ökosystem der Förderprogramme von Bund, Land und Kommunen gestört. »Diese Gelder hängen für Künstler*innen miteinander zusammen«, sagt er. »Wenn man die kommunale Förderung nicht bekommen hat, dann hat man auch nicht die Chance, die Landesgelder abzurufen, und wenn man die nicht kriegt, gibt es auch nichts vom Bund.«
Verschärft wird diese Situation aktuell noch durch einen Beschluss des Bundeskabinetts, der zuletzt dem Bündnis internationaler Produktionshäuser, zu dem auch das FFT in Düsseldorf und das Tanzhaus NRW zählt, die Mittel für das Jahr 2025 komplett strich. Mit fünf Millionen Euro wurde der Zusammenschluss der sieben größten Institutionen der zeitgenössischen performativen Künste in Deutschland im vergangenen Jahr gefördert — Geld, das etwa im FFT in Düsseldorf auch der Freien Szene in Köln durch Residenzprogramme, Kooperationen und Gastspiele zugute kam.
»Mittlerweile habe ich den Eindruck, Kunst zu machen, kann man sich nur noch leisten, wenn man qua Herkunft finanziell abgesichert ist«, sagt Andrea Bleikamp von wehr51. Das werde auch Auswirkungen haben, auf die Geschichten, die künftig auf der Bühne erzählt werden. »Es wird so viel darüber gesprochen, dass Kunstorte für alle Menschen zugänglich sein sollen. Damit ist aber nicht nur das Publikum gemeint, sondern auch die, die auf der Bühne stehen — und mittlerweile ist mein Eindruck: Wenn du nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurdest, hast du schlechte Karten.«
Philippa Schindler
Vom Aushängeschild zum Bittsteller
Shalom-Musik bietet jüdischer Musik eine Bühne. Für ihr Budget mussten die Macherinnen bis zur letzten Minute kämpfen
Köln ist eine wunderbare Stadt — das hört man in diesen Tagen von Künstlerinnen, Musikern oder Kurator*innen nicht oft. Claudia Hessel und Ulrike Neukamm können sich auf diesen Satz einigen und bringen ihn auch noch stolz über die Lippen. Aber die Einschränkung folgt nur wenige Sekunden später, Claudia Hessel muss dabei lachen: »Die Menschen natürlich.« Nicht die Verwaltung und ihr Umgang mit der Freien Szene.
Hessel ist Intendantin des Festivals Shalom-Musik.Koeln, Neukamm verantwortlich für das künstlerische Programm. Ihr Lob für die Kölner entspringt nicht dem üblichen Brauchtum der Selbstbeweihräucherung, sondern hat mit einer Erfahrung zu tun, die nicht nur in diesen Tagen eine hochpolitische ist: Shalom-Musik Köln konnte im letzten August »einfach so« stattfinden, ohne Polizeischutz, ohne Befürchtung, Störaktionen würden die Konzerte beeinträchtigen. »Wir haben mit einer Situation zu tun, wo in anderen deutschen Städten jüdische Künstler bedroht werden, Angst haben aufzutreten, Angst haben offen zu sagen, dass sie jüdisch sind. Das ist in Köln nicht so gewesen. Die Menschen hier sind interessiert, die Künstler fühlen sich angenommen. Hier zeigt sich wirklich, dass Köln eine offene, tolerante Stadt ist.«
Das Festival, das 2021 anlässlich der 1700-Jahres-Feier das erste Mal stattfand — 321 wurde in den Chroniken das erste Mal eine jüdische Gemeinde in Köln erwähnt —, ist eine kommunale Erfolgsgeschichte und überhaupt eines der ganz wenigen Festivals für jüdische Musik in Deutschland. Die Stadt hat das in ihrem offiziellen Rückblick auf das Festjahr gewürdigt und sich zu dem Festival, das mittlerweile zweijährig stattfindet, bekannt. »Und jetzt stellen Sie sich mal vor«, sagt Hessel, »wie wir uns gefühlt haben, als wir den Haushaltsentwurf für die nächsten Jahre gesehen haben. Es war wie ein Schlag ins Gesicht.«
In diesem Planentwurf ist die Förderung des Festivals mit »0 Euro« angesetzt gewesen, für 2024 gab es noch 100.000 Euro. Zwar speist sich das Budget noch aus anderen Töpfen, aber etwa das Land NRW macht seine Förderung davon abhängig, dass die Stadt Köln weiterhin am Start ist. »So eine Null steht für überflüssig«, sagt Hessel. Gab es im Herbst irgendwelche Andeutungen? Vorahnungen? »Eine Vorahnung — ja. Dass Spar-Haushalte kommen werden, lag in der Luft«, sagt Claudia Hessel, »Aber kommunikativ ist von Seiten der Stadt — zumindest in unsere Richtung — nichts gelaufen. Im Gegenteil, wir hatten für 2025 schon einen Antrag gestellt.« »Und da hat sich das Kulturamt zurückgehalten — mal abwarten, was im Haushaltsentwurf steht«, ergänzt Neukamm. »Aber mehr kam nicht.
Es gab keine Gespräche. Auch kein Angebot — lasst uns alle etwas zurückstecken, um die Kultur gemeinsam über die Krisenzeit zu bringen. Das wäre ja ein konstruktiver Ausgangspunkt gewesen.«
Shalom-Musik.Koeln steht ganz im Zeichen des Austauschs — nicht nur geht es darum, jüdische Musik in ihrer Vielfalt vorzustellen, auch Brücken zu anderen Lebenswelten sollen geschlagen werden. Rabbi Jonathan Kligler aus Woodstock spielte Lieder der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung, die auf jüdische Melodien und Weisen zurückgehen. In einem anderen Projekt trafen iranische auf jüdische Musiker. »Wir lösen den Gaza-Konflikt nicht, das ist doch klar«, sagt Ulrike Neukamm. »Aber wir wollen Menschen zusammenbringen, und das läuft am besten über Musik. Das Festival hat einen Spirit entwickelt, in dem sich viele wiedergefunden haben. Wir haben den nicht initiiert, er ist tatsächlich von sich aus entstanden.«
Beide Macherinnen stehen mit der Politik in Kontakt. Was durch die Verwaltung droht, bürokratisch abgewickelt zu werden, kann auf politischem Wege noch abgefedert werden. Und so kam es denn auch in letzter Minute: 2025 erhält das Festival 50.000, nächstes Jahr 100.000 Euro. »Wir fühlen uns durch diese Unterstützung der Politik bestärkt, unsere Arbeit fortzusetzen. Es zeigt, dass Musik auch in herausfordernden Zeiten einen wichtigen Platz in unserer Gesellschaft hat«, schreibt Hessel in einem Statement.
Dennoch, das Grundproblem bleibt: Dass Musiker und Veranstalter wie Bittsteller bei der Politik vorstellig werden müssen, um auf Gnade zu hoffen und das Gröbste noch abwenden zu können.
Felix Klopotek
Nicht kommerziell = nicht erwünscht
Die Kürzungen im Kunstbetrieb treffen diejenigen, die sich nicht komplett dem Markt verschrieben haben
Im Mediapark sitzt der Schock tief. Im Turm mit der Hausnummer Sieben sitzen gleich gleich mehrere von den Kürzungen des Haushalts betroffene Kulturinstitutionen. Während für das ZADIK — Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels (von 131.200 Euro auf 65.000) erst 2026 Abstriche bevorstehen, ist das Aus der ebenfalls dort ansässigen Akademie der Künste der Welt beschlossene Sache.
Zwar sieht der Haushalt im Jahr 2025 noch circa 380.000 Euro vor, doch das Geld, so Geschäftsführerin Monika Kerkmann, werde vor allem zur Abwicklung der städtischen Institution benötigt. »Es ist eine Katastrophe, die wir so nicht erwartet haben. Da Kürzungen im Vorfeld schon als unumgänglich betrachtet wurden, hatten wir auf Anraten des Aufsichtsrates Pläne für einen Betrieb mit bis zu 20 Prozent kleinerem Budget durchgespielt.« Die Pläne der Kämmerei und der Oberbürgermeisterin kamen deswegen für Kerkmann und die künstlerische Leiterin Ala Younis umso unerwarteter. Kurz vor der Veröffentlichung des Haushalts wurde man über die Einstellung der Förderung informiert. Eigentlich pflege man ein kollegiales und gutes Verhältnis mit der Verwaltung, doch »es gab keine Vorgespräche. Man setzte uns lediglich in Kenntnis«, erzählt Kerkmann.
Sie vermutet, dass der 2012 ins Leben gerufenen Institution zum Verhängnis wird, dass sie »quasi immateriell ist.« Sie führt aus: »Wir arbeiten eben nicht nur regional, sondern global, bringen in unserem Residenzprogramm Künstler:innen aus der ganzen Welt nach Köln. Das alles scheint keinen Wert für die Stadt zu haben — so müssen wir die Kürzung verstehen.« Ein fehlender Prachtbau und die zahlreichen fluiden Kooperationen primär mit den freien Szenen der Stadt, hätten den Eindruck erweckt, dass man »auf uns verzichten kann«. Wieviel Wissen — und Arbeit! — in der Akademie steckt, zeigen die Kennzahlen: Über 50 Projekte haben 10 feste Angestellte und 20 weitere freie Künstler*innen und Kulturakteur*innen 2024 organisiert. So stellte man mit dem Goethe-Institut in Bonn ein ausgedehntes Ausstellungs- und Performance-Projekt zum Thema »Karneval in Köln und Rio« auf die Beine, im Plattenladen des Kompakt Labels findet das monatliche Format »Learning to Listen« mit internationalen Kunstakteur*innen statt. Stand Januar 2025 ist die Akademie ab 2026 aber Geschichte und damit auch eine Institution, in die seit zwölf Jahren die Hoffnung gesteckt wurde, Aspekte einer globalisierten und postmigrantischen Stadtgesellschaft besser abzubilden, die in den anderen Institutionen keinen oder wenig Platz finden.
Die Akademie gehört zu 100 Prozent der Stadt Köln und nimmt daher in den Haushaltsplanungen eine gewichtige Sonderrolle ein. Andere Kürzungsmaßnahmen finden im Kleinen statt: Das Künstler*innenförderungsprogramm hat 2024 noch 15 Akteur*innen ein Arbeitsstipendium von 5000 Euro pro Jahr beschert. Es wurde auf 30 Prozent zusammengestrichen. 100.000 Euro fallen bis 2026 zudem bei der Projektförderung weg, die zu großen Teilen von nicht-kommerziellen und und freien Kunstschaffenden genutzt wird.
Die Temporary Gallery am Mauritiuswall arbeitet häufig mit Künstler*innen zusammen, die entsprechend ihrer Praxis (Zeitbezogene Medien, Performance und soziale/politische/aktivistische Kunstformen) kaum von Galerien vertrieben werden, oft sogar non-profit agieren, aber eine wichtige Rolle in der Kunstszene einnehmen. 2018 hat sie eine Auszeichnung als bester Kunstverein erhalten.
Sie ist dank ihrer nicht-kommerziellen Ausrichtung ein Beispiel dafür, dass man gar nicht direkt von Kürzungen betroffen sein muss, um ihre Auswirkungen zu spüren. Interims-Geschäftsführerin Gitte Moll erklärt: »Wir hatten gehofft, dass sich 2025 die Fördersumme der Stadt erhöhen würde, wussten jedoch schon früh, dass das nicht möglich sein wird.« Schon 2024 hätten Landesmittel lange auf sich warten lassen, das Personalbudget sei mit anderthalb festen Stellen ohnehin klein. Durch die Reduzierung bei Stipendien und Projektförderung drohen Kooperationen ins Wasser zu fallen, was wiederum für den »Tempo« genannten Raum weniger Ausstellungen, weniger Veranstaltungen und weniger szeneinterne Vernetzung bedeuteten. »Ab einem gewissen Punkt«, so Moll, »müssen wir uns fragen, ob ein Kunstverein in dieser Form — unabhängig und non-profit — noch bestehen kann.« Noch könne man sich gegenüber den Konsequenzen — wie etwa der Fokussierung auf marktgängige, leicht verkäufliche Kunst — wehren, doch wenn weitere Förderträger in die Knie gehen, wäre ihr Modell existenziell gefährdet.
Lars Fleischmann