Einmal Schweigefuchs, ­bitte!

Der Streit um den Brüsseler Platz ist in vielerlei Hinsicht aus dem Ruder gelaufen

Am Brüsseler Platz gibt es neue Deko-Elemente. Rund um die Kirche hängen Plakate in den Farben Kölns, die auf ein Verweilverbot freitags und samstags zwischen 22 und 6 Uhr hinweisen. Es ist der neueste Versuch in einem mehr als zehn Jahre andauernden Prozess, den Anwohner:innen gerecht zu werden, die auf mehr Nachtruhe geklagt haben. Es dürfte nicht der letzte bleiben. Das Verweilverbot gilt seit Februar, aber muss im April noch von den politischen Gremien bestätigt werden, um dauerhaft gültig zu sein. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es schwierig wird, die dafür nötigen Mehrheiten zusammenzubekommen. Wer will es sich vor der Kommunalwahl schon mit jungen Wähler:innen verscherzen?

Der Konflikt am Brüsseler Platz ist zudem ein perfektes Beispiel dafür, dass sich ausgerechnet diejenigen am besten Gehör verschaffen können, denen eh immer zugehört wird. Gegen die Stadt klagt eine gut vernetzte Mittelschicht, die mit öffentliche Ressourcen Mediations-Workshops bezahlt bekommt, über deren Resultate sich dann ebenso gut vernetzte Selbstständige, die Gastronomie, beschweren. Nach ein paar Monaten gehen dann alle zurück auf Los und die nächste Runde beginnt. All das spielt sich in einer der teuersten Ecken der Kölner Innenstadt ab, es ist ein Nachbarschaftsstreit unter seinesgleichen.  

Was ist eigentlich mit denen, die woanders wohnen und dort unter Lärm leiden?

Aber was ist eigentlich mit denen, die woanders wohnen und dort unter Lärm leiden? Auch in der Anflugschneise zum Flughafen und an den Ausfallstraßen in Weidenpesch, Buchforst oder Porz haben Menschen das Recht auf ein lärmfreies (und schadstoffarmes) Leben, aber selten die finanziellen, zeitlichen und intellektuellen Ressourcen, dieses auch einzufordern. Manchmal stellen sich Politiker:innen im Wahlkampf für einen Ortstermin samt Presse auf die Fahrbahnen dort, um den Kampf für eine Verbesserung »vor Ort« anzukündigen, die bis zum Ende der Wahlperiode jedoch ausbleibt. Mediationsverfahren und Klagen durch die Instanzen? Fehlanzeige. Auch das ist ein gutes Beispiel — für eine Repräsentationslücke. Es wäre sinnvoll, wenn die Kölner Politik sich einmal ernsthaft darum kümmern würde. Und am Brüsseler Platz? Da wäre es sinnvoll, wenn die Lautstärke mal runtergedreht würde — und zwar von allen Beteiligten.