»Es muss nicht verbrannt schmecken«
Britta Barthelmeß reicht eine Schale mit ungerösteten Kaffeebohnen. Die Form ist vertraut, die Farbe erinnert an Erdnüsse. Es duftet nach Heu. Ihr typisches Aroma und die dunklere Färbung entstehen erst beim Rösten. Barthelmeß ist Mitgründerin der Rösterei Moxxa Caffè im Carlswerk in Mülheim. Ursprünglich rösteten sie für eigene Gastronomien, doch 2010, zwei Jahre nach der Gründung, kam die Idee auf, die Bohnen zu verkaufen.
In den vergangenen Jahren wurden in Köln immer mehr kleine Röstereien gegründet. Kaffee ist der Deutschen liebstes Getränk, noch vor Bier und Mineralwasser. Im Schnitt trinken Konsument*innen vier Tassen pro Tag.
Laut Prognose der Online-Plattform Statista werden Menschen in Deutschland dieses Jahr 5,76 Mrd. Euro für Kaffee ausgeben — allein im Handel. In Cafés, Bahnhöfen und anderen Verkaufsstellen kommen noch 14,1 Mrd. Euro dazu. Doch von diesen Milliarden profitieren vor allem die Konzerne: »In der deutschen Kultur ist der Industriekaffee fest verankert«, sagt Nina Maenz von der Kaffeerösterei Heilandt, die 2010 im Belgischen Viertel gegründet wurde, und heute im Stadtbezirk Ehrenfeld röstet. Was laut Maenz ebenfalls zur deutschen Kaffeekultur gehört: »Wir betrachten den Kaffee funktional. Er muss wach machen. Weil wir mit dem Geschmack von Industriekaffee groß geworden sind, muss er verbrannt schmecken, sonst stimmt was nicht.«
Heilandt und Moxxa Caffé, aber auch immer mehr andere Röstereien, verfolgen einen anderen Ansatz: Während für Industriekaffee die Bohnen binnen weniger Minuten bei 400 Grad geröstet werden, ist die Temperatur deutlich niedriger, die Röstzeit länger. Das ergibt hellere Bohnen, die verschiedene Aromen entwickeln. Die werden dann als »Grüner Apfel und exotische Sternenfrucht« oder »geröstete Cerealien und dunkler Honig« beschrieben. »Irgendwann wird es zum Erlebnis, wonach ein Kaffee alles schmecken kann«, sagt Nina Maenz von Heilandt.
Dieses Erlebnis hat aber einen höheren Preis. »Helleres Rösten verzeiht keine Fehler«, so Maenz. Das bestätigt Dirk Barthelmeß von Moxxa Caffè: »Eine fehlerhafte Bohne auf eine Tasse Kaffee kann den ganzen Geschmack verderben. Erst recht, wenn sie unreif geerntet wurde.« Die meist dunkle Röstung beim Industriekaffee überdeckt etwaige Fehler, die bei Ernte oder Aufbereitung des Kaffees unterlaufen sind. Aber der Kaffee verliert so an Geschmack.
Röstereien wie Heilandt und Moxxa Caffè bieten daher sogenannten Specialty Coffee an. Wie die Qualität von Wein bereits im Weinberg ihren Ursprung hat, so entsteht guter Kaffee schon in der Plantage. »Die Pflanzen brauchen guten Boden und gutes Klima. Und Menschen, die sich um die Pflanzen kümmern«, sagt Barthelmeß. Die Kaffeepflanze verträgt keinen Frost, keinen Wind und keine pralle Sonne.
Die Pflanzen brauchen guten Boden und gutes Klima. Und Menschen, die sich um sie kümmernBritta Barthelmeß, Rösterei Moxxa Caffè
Hinzu kommt die herausfordernde Lese. Denn unreife und reife Kaffeekirschen finden sich an derselben Pflanze. Je sorgfältiger die Lese, desto besser der Kaffee. Und teurer. Specialty Coffees kosten durchaus dreimal so viel wie Kaffee im Supermarkt. Weil Röstereien wie Heilandt und Moxxa Caffè aber oft direkt mit den Farmern Verträge aushandeln, kommt viel mehr Geld bei ihnen an statt bei Zwischenhändlern.
»Die Nachhaltigkeit muss man sich leisten können. Und das ist schlimm«, sagt Nina Maenz. »Aber die Farmer*innen müssen für ihr tolles Produkt bezahlt werden, damit sie davon leben können.« Das werde in Zukunft noch herausfordernder wegen des Klimawandels, so Maenz. »In Brasilien gab es in den letzten Wintern immer wieder Frost und im Sommer ungewöhnliche Dürreperioden. Da sind ganz viele Kaffeepflanzen eingegangen.« In Zukunft, da sind sich Expert*innen einig, werden die Rohkaffeepreise weiter auf Rekordhöhe bleiben und somit langfristig auch die Preise für herkömmlichen Röstkaffee deutlich steigen.
Moxxa Caffè baut seit 2017 Kaffee auf La Gomera an und kooperiert dabei mit lokalen Bauern. Kaffeeanbau hat auf den Kanaren Tradition — und könnte dort eine neue Zukunft finden.
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