Fußmatten — schweigsam und schön

Materialien zur Meinungsbildung

Ich finde es schön, wenn Dinge schön sind anstatt hässlich. Leider sind schöne Dinge aber teuerer als hässliche. Gewiss, es gibt sündhaft teure Waren die sehr hässlich sind, die Karnevals-Trikots des 1.FC Köln etwa oder eine Fleischfabrik. Aber Billiges ist selten schön. Und so schlendere ich in dem Bewusstsein durch mein Leben, dass ich schönere Pullover tragen, eine vornehmere Brieftasche einstecken oder einen stilvolleren Regenschirm bei mir führen könnte als den von Oma Porz auf dem steht: »Keep singin’ in the rain!«

Apropos: Die Dinge, vor allem die hässlichen, sprechen uns ja immer öfter an, so als wollten sie uns aufmuntern; schöne Dinge tun das nie. Hässliche Dinge sprechen meist Englisch, nie Finnisch oder Mittellatein. Jedenfalls nicht außerhalb von Finnland oder dem Mittelalter. Allein Kaffeetassen befleißigen sich des hierzulande gängigen Schnoddersprechs und raunen einem morgens pädagogisch zu: »Zu früh für Bier, sorry!«

Neulich stand ich in einer Umkleidekabine des Textileinzelhandels. Ich dachte, ich bräuchte mal einen schicken Pullover, es gab Sonderangebote. Der in der Umkleide angebrachte Spiegel tätschelte mich sogleich verbal und sagte kess auf Englisch, dass ich umwerfend aussehe — woher weiß der Spiegel das? Andererseits sagt er das wohl zu jedem, dieser Schlingel! Und weil ich ja offenbar auch ohne den neuen, übrigens nicht ganz günstigen Pullover »amazing« ausschaue, verließ ich den Laden unverrichteter Dinge. Vielleicht sind solche aufdringlichen Spiegel für den ­stationären Einzelhandel noch schlimmer als Amazon.

Die Korrelation zwischen Hässlichkeit und Geschwätzigkeit von Dingen sieht man nirgends besser als bei, Sie ahnen es: Fußmatten. Was steht da alles drauf! »Gute Freunde bringen was zu trinken mit!« oder auch »Die ganze Welt ist ein Irrenhaus, aber hier ist die Zentrale«. Ich stelle mir dann die Wohnungseigentümer vor, wie sie nach einem anstrengenden Arbeitstag schnaufend das Treppenhaus emporsteigen und, während sie den Schlüssel suchen, versuchen, dem Humor dieser Matte zu entkommen. Selber schuld.

Meine neue Fußmatte schweigt vornehm, und sie war sehr teuer. Ich habe mich von einer sehr freundlichen Verkäuferin auf einem Markt beschwatzen lassen. Die Fußmatte hat die Form einer Katze (Hunde waren aus) und ist aus irgendeinem sehr nachhaltigen Material gefertigt, für dessen Bearbeitung Menschen auf anderen Kontinenten großzügig bezahlt worden sein sollen. Vermutlich kann man die Matte auch essen, wenn gerade nichts anderes vorrätig ist, so ökologisch ist sie.

Nun war ich recht stolz auf diese Fußmatte. Der Anfang war gemacht! Wer weiß, vielleicht würden bald ebenso geschmackvolle Pullover, Brieftaschen und Regenschirme folgen? Und wenn ich am Geschmackvollen Geschmack fände, würde mir sicher noch einfallen, wie ich das Geld dafür an anderer Stelle einsparen könnte. Etwa, indem ich weniger geschmackvolles Bier tränke. Denn Bier ist ja im Rubbedidupp weg, Fußmatten aber bleiben.

Seltsamerweise dankte man es mir nicht. Jeder, also vor allem Gesine Stabroth, fühlt sich berufen, mich in ästhetischen Dingen über den aktuellen Stand der Forschung zu belehren. Mit der Fußmatte, so dachte ich, hätte ich aber einen Volltreffer gelandet. Als es klingelte, ließ ich, sonst Gentleman, Gesine Stabroth etwas länger vor der Wohnungstür warten — ich wollte ihr die Möglichkeit geben, die Ästhetik meiner Fußmatte mit allen Sinnen zu erfahren. Doch was hörte ich, als ich neckisch und in Erwartung eines kleinen Applaus den Kopf durch den Türspalt steckte?  »Sach mal, warst du kacken oder was? Warum lässt du mich hier im Hausflur so lange blöd rumstehen? Ach, übrigens, da haben die Kinder wieder die Fußmatten vertauscht, die ist ja noch hässlicher als deine mit den Kätzchen drauf, die ›Schön, dass Du da bist‹ sagen.«