In Gedenken © Alile Onawale, Video Films

»Für immer hier«

Walter Salles erinnert an eine Familientragödie unter der brasilianischen Militärdiktatur

Ominös wirken die Hubschrauber, die über Eunice kreisen, während sie an der legendären Copacabana durchs Meer schwimmt. Wir schrei­ben das Jahr 1970, in Bra­silien herrscht seit einigen Jahren eine Militärdiktatur. Deren lateinamerikanische Versionen entwickelten eine besonders perfide Methode, Angst und Schrecken zu verbreiten: Regimekritiker wurden nicht einfach »nur« verhaftet, man ließ sie spurlos verschwinden, sodass den Angehörigen stets ein Funken Hoffnung blieb, nur um sie noch mehr zu quälen.

So wird es Eunice bald ergehen. Anfangs lebt sie mit dem Architekten und ehemaligen linken Politiker Rubens Paiva sowie ihren fünf Kindern unbeschwert in einem weitläufigen Haus unweit des Strands. In impressionistischen Szenen evoziert Regisseur Walter Salles an ihrem Beispiel das damalige Leben der brasilia­nischen Mittelschicht, die zwar beobachtet, wie sich die Dinge im Land zum Schlechteren wenden, aber weitestgehend keinen Anlass sieht zu handeln. Die älteste, politisch allzu engagierte Tochter wird zwar nach England geschickt, doch erst als Rubens zu einem Ver­hör mitgenommen wird, schwant Eunice, dass ihr bisheriges Leben vorbei ist.

Sie wird ebenfalls bald ver­haftet, tagelang verhört und schließlich in eine neue Situation entlassen. Auf einmal muss sie Geld verdienen und ihren Kindern einen Hauch von Normalität sugge­rieren. Rubens bleibt verschwunden. Die Familie weiß nicht, was mit ihm geschehen ist. Erst lange nach dem Ende der Diktatur wird es endlich Antworten geben.

Walter Salles’ Drama liegt eine wahre Geschichte zu Grunde, in Brasilien ist das Schicksal der Paivas landesweit bekannt. Eunice studierte nach dem Verschwinden ihres Mannes Jura und wurde zur engagierten Anwältin für Men­schen­rechte, Sohn Marcelo wiederum verarbeitete seine Jugend und das Schicksal der Familie in einem autobiografischen Buch. Der Bestseller diente dem Film als Vorlage. Zudem kannte Filmemacher Salles Marcelo und die anderen Paivas schon als Jugendlicher gut. Das kommt der Authen­tizität seiner Schilderung zugute, zumal er mit Fernanda Torres eine herausragende Hauptdar­stellerin hat, die der Tragik der Geschichte mit ihrer zurückhaltenden Performance ein berührendes Antlitz verleiht.

(Ainda estou aqui) BRA/ F 2024, R: Walter Salles, D: Fernanda  Torres, Selton Mello, Valentina Herszage, 137 Min., Start: 13.3.