In der Reha Foto: Dominic Leon, © 2023 Divine Film

»Sing Sing«

Ex-Insassen spielen sich selbst in Greg Kwedars Drama über eine Theatertruppe im Knast

Das Drama von Greg Kwedar beruht auf einer wahren Geschichte: John »Divine G« Whitfield, vom erneut Oscar-nominierten Colman Domingo (»Rustin«) verkörpert, sitzt zu Unrecht wegen Mordes im Hochsicherheitsgefängnis Sing Sing ein. Um nicht zu verzweifeln und Kraft für seine Entlastungsanhörungen zu schöpfen, hat John das »Rehabilitation Through the Arts«-Programm (RTA) mitgegrün­det. John und seine Mithäftlinge, zum Großteil Ex-Knackis, die ihr früheres Ich verkörpern, schreiben, produzieren und spielen gemeinsam Theaterstücke. Doch dafür müssen die Schwerverbrecher sich öffnen und sich ihrer Wut, ­ihrem Schmerz und nicht zuletzt ihrer Verletzlichkeit stellen. Die Schauspielübungen, die der einfühlsame Regisseur Brent anleitet, in denen sie sich beispielsweise mit geschlossenen Augen an einen perfekten Moment in ihrem Leben erinnern müssen, erzeugen Gänse­haut, führen dem ­Publikum aber auch die eigenen Vorurteile vor Augen.

»Wir sind hier, um wieder Men­schen zu werden«, fleht D Dan dann auch den Häftling Divine Eye an, der neu zu der Truppe hinzugestoßen ist und seine Gangsterallüren zunächst nicht ablegen will. Clarence »Divine Eye« Maclin, der wegen schweren Raubüberfalls in Sing Sing einsaß und heute als Berater für gefährdete Jugendliche arbeitet, spielt mitreißend die frühere Version seiner selbst. Zunächst scheint es, als würden John und er zu erbitterten Konkurrenten. Stattdessen erwächst durch die gemeinsamen Proben zwischen den beiden eine tiefe Freundschaft, wie man sie selten im Kino gespürt hat.

Divine Eye schlägt vor, zur Abwechslung mal eine Komödie aufzuführen. Sein Vorschlag wird angenommen und die 16mm-Hand­kamera von Pat Scola, die viel zur authentischen Atmosphäre des Films beiträgt, ist mitten unter diesen schweren Jungs, die Ideen für eine wilde Zeitreise-­Komödie einbringen, als wären sie wieder unschuldige Kinder. Was für ein Kontrast zum Gefängnisalltag mit unberechenbaren Wärtern und Mitinsassen.

So kann man dem knapp zwei Stunden währenden Drama kleine Längen durchaus verzeihen, denn man fühlt jede Minute mit diesen Männern, die inzwischen wieder auf freiem Fuß sind. Eine Extrapor­tion Hoffnung ­können wir alle gut gebrauchen. Schon allein deshalb sollte man diesen zutiefst berührenden Film auf keinen ­Fall verpassen.

USA 2024, R: Greg Kwedar, D: Colman Domingo, Clarence Maclin, Sean San Jose, 107 Min., Start: 27.2.