Ruf doch mal wieder an: Malte Huck, © woulden

Heimweh nach dem Neuen

Mit seinem Projekt Beachpeople lässt Malte Huck (nicht nur) AnnenMayKantereit hinter sich

Sein Debütalbum mit »has-been« zu betiteln, was so viel heißt wie »jemand, der berühmt war«, muss eine bewusste Entscheidung sein. So bewusst wie die Entscheidung eine Band zu verlassen, die mehrere Millionen Tonträger verkauft. In der Pandemie war es so weit: nach einer Reise durch die USA und Mexiko verlässt 2020 Bassist Malte Huck AnnenMayKantereit. Drei Jahre später veröffentlicht er seine erste EP als Beachpeople, diesen Februar kommt sein Debütalbum raus: Eine dreißigminütige Reise, sorgfältig kuratiert von einem offensichtlich erfahrenen Musiker.
»has-been« folgt einer narrativen Struktur, die Soundtrack-­ähnlich wirkt und sich unglaublich gut als Reisebegleitung eignet. Ob im Zug oder beim Spazieren­gehen. Der fast theatrale Spannungsbogen setzt mit leisem ­Indiesound ein und entwickelt sich zu einem Klangteppich, der manchmal überraschend abrupt endet, um mit der nächsten schönen ­Melodie wieder einzusetzen. Ein Album, das besonders gut als ­Ganzes funktioniert und am besten durch anständige Boxen oder Kopfhörer gehört werden will, nicht aus Handy- oder Laptop-Lautsprechern. Ein Album voller Sprünge, im richtigen Maß herausfordernd wie versöhnlich; das sich mit Wegen beschäftigt, Dinge hinter sich zu lassen, mit Möglichkeiten des Zurückkommens und vielleicht auch des ­Bleibens. Vielleicht ein Prozess, der treffend mit »Selbstfindung« übertitelt werden kann.

Malte, wie beschreibst du selbst den Klang deines Albums? 

Musikalisch habe ich versucht, Folk und Indie treu zu bleiben, dazu wollte ich Elemente von HipHop drin haben und hier und da Krach machen. Ich hab mich für das Album viel mit Gefühlen von Kindheit und Erwachsenwerden beschäftigt, das hat für mich beides viel mit Krach zu tun. Wenn ich dafür nur schöne Lieder geschrieben hätte, hätte sich das nicht ganz ehrlich angefühlt.

Wie hat deine Arbeit am Album begonnen? 

Eine der ersten Sachen, die ich für das Album hatte, war tatsächlich das Cover. Es ist ein rangezoomtes Foto von mir als kleiner Junge, der zusammengekauert auf dem Boden sitzt. Mein Kopf liegt auf meinen Oberschenkeln und man weiß nicht genau, was ich mache. Vielleicht zähle ich bis zehn und fange dann an zu suchen. Ich habe das Foto gefunden, während ich alte Familienbilder durchgegangen bin. Anfang 2020 ist mein Papa krank geworden, durch Covid und Lockdown konnten wir ihn nicht be­­suchen. Daher kam meine Auseinandersetzung mit Familie und Tod und diesem komplizierteren Konstrukt »Patchwork-Familie«. Aus den alten Bildern ist eine ­Collage an Ideen entstanden, an Fotos, an Zeilen. Ich bin meine Tagebücher, die ich schreibe, seit ich 17 bin, durchgegangen, währenddessen schrieb ich die Songs.

Mit »I just want this year to end, but maybe it never will« oder »You reach for the stars, but you can barely tie your shoes« wirkt es, als hätten es ein paar tagebuchähnliche Zeilen aufs Album geschafft… 

Ja, für mich ist es, als wären die Tracks zehn Tagebucheinträge, die zwar miteinander verknüpft sind, aber die ebenso für sich stehen. Am Anfang des Albums geht es um kindliche Gefühle und um ein Kennenlernen: um das Benennen der Ge­danken und Emotionen, die ich versuche, zu sortieren. Ab dem vierten Track wird es konkreter.

Ab »Leaving the Band«? 

Genau. Klar ist die Assoziation des Songtitels mit dem Abschied von AnnenMayKantereit naheliegend, aber für mich ist er nicht nur damit verknüpft. Es geht grundsätzlich um das Gefühl, aus Bands auszusteigen. Große Sachen hinter sich zu lassen, etwas aufzugeben und dafür Neues anzufangen. Das geht für mich oft mit Gefühlen von Heimweh einher und mit einer Angst vor Veränderung, die bestimmt viele kennen.

Danach wird es musikalisch etwas wilder… 

Ja, auf dem Album gibt es auch wütende Momente. Wut über enttäuschte Träume, über Leute, die man idealisiert hat und die doch ganz anders sind, als man dachte. Auf die Wut folgen Scham und ihr Verdrängen durch Konsum und verletzende Gedanken. Aber immer mit dem Anspruch, Schönes im oder neben dem Schlimmen zu sehen. Musikalisch und thematisch versöhnlicher wird es bei Song acht, dem Lieblingssong von vielen auf unseren Konzerten: »Sydney«. Mit dem letzten Song möchte ich den Begriff »has-been« neu besetzen. Im Deutschen gibt es für ihn keine gute Übersetzung, es ist diese Person, die mal erfolgreich war und jetzt in der Versenkung verschwindet. Ich versuche den Begriff positiv zu besetzen und etwas hoffnungsvolles reinzubringen. Zu sagen, hey, das ist nicht schlimm, so beginnt Neues und das gehört alles zum Leben dazu.

Große Sachen hinter sich zu lassen, etwas aufzugeben und dafür Neues anzufangen: Das geht für mich oft mit Gefühlen von ­Heimweh einher und mit einer Angst vor ­Veränderung

Wie fühlt sich das an, eine so persönliche Platte zu veröffentlichen? 

Natürlich überlege ich in Phasen, in denen es politisch so angespannt ist, ob das überhaupt okay ist, mich mit so Persönlichem zu beschäftigen. Aber ich denke, dass die Themen, die es auf das Album geschafft haben, ein wichtiges Element und auch Symptome unserer politischen Welt sind. Das wird realpolitisch nichts verändern, aber vielleicht hört das jemand und fühlt sich unterstützt oder kann eine Entscheidung leichter treffen. Jetzt wo die Tour ansteht, bin ich etwas nervös. Für das Album habe ich die Songs geschrieben, spielte die Instrumente zu einem Großteil ein und produzierte teilweise ­selber. Aber für die Tour werden wir als Band auf der Bühne sein. Ich bin gespannt und freu mich zu sehen, was aus dem Album wird, wenn wir sie als Band interpretieren.

Unter den Youtube Videos deiner neuen Singles steht »QUIT YOUR JOB, PLANT A TREE, CONFRONT YOUR FEARS, FUCK THE MUSIC INDUSTRY«, danach lädst du ein, deinen Newsletter zu abonnieren. Was hat es damit auf sich?

Was ja vor allem der Verkauf von Twitter gezeigt hat, ist: Man kann diese Plattformen, von denen die Gehälter von Künstler*innen heute abhängig sind, einfach kaufen und umgestalten. Das ist so enorm, was da für Entscheidungen getroffen werden, die ein paar Wochen später das neue Normal sind. Auf einmal bekommt man kein Geld mehr für die eigene Musik, weil irgendein CEO die Spiel- und ­Verwertungsregeln willkürlich ändert. Bei Social Media und Streaming-Plattformen gibt es noch schöne Aspekte. Aber zum Teil tut mir das als Musiker weh, dass ich mit solchen Plattformen interagieren muss, um stattzufinden. Deswegen der Newsletter.

stadtrevue präsentiert
Konzert: Mi 12.3., Bumann & Sohn, 20 Uhr

 

 Dir hat der Artikel gefallen und du willst unabhängigen Journalismus mit deiner Spende stärken? 
+++ Hier geht's zur Spende +++