Dunkler Karneval
Gerti Ransohoff ist ein Name, der bis heute nicht wegzudenken ist aus dem Kölner Karneval. Die Rede ist von einer der wenigen Frauen, die als Karnevalistin von sich Reden gemacht hat. Anfang der 1930er Jahre war Ransohoff auf dem Höhepunkt ihrer Karriere als Büttenrednerin — mit Auftritten im Gürzenich und Liveübertragungen im Radio. Im Mai 1932, fünf Tage nach dem Freitod ihres Mannes Paul, nahm sie sich das Leben.
Stand Gerti Ransohoffs Tod in Zusammenhang mit patriarchalen Strukturen und überholten Rollenklischees, die bis heute Bestand haben? Das fragt sich das Theaterkollektiv A3 in seiner neuesten Produktion »Der Fall Ransohoff — Frauen im Karneval«. Anna Möbus und Alina Rohde gehen als Forensikerinnen in weißen Overalls auf Spurensuche. Sieben Beweisstücke gilt es zu sichten — vom Konfettiregen über einen Tanzmariechenrock bis hin zu einer Einladung zur Prinzenproklamation ist alles dabei, was das karnevalistische Herz höherschlagen lässt. Die Performerinnen fragen sich: Warum ist das Dreigestirn immer noch ausschließlich männlich besetzt? Warum dürfen nur Männer vollwertige Mitglieder in Traditionscorps werden? Im Karneval vernetzen sich doch diejenigen, die Geld und Macht haben — wieso bekommen Frauen nicht die Chance, Teil davon zu sein?
Auf unterhaltende Art und Weise legt die Inszenierung Missstände offen, die im Trubel der fünften Jahreszeit gerne unter den Tisch gekehrt werden. Zeitweise fühlt sich der Abend allerdings so an, als lausche man einem wissenschaftlichen Vortrag. Bis auf ein Rednerpult, von dem die Beweisstücke in durchsichtigen Plastiktüten herabhängen, ist die Bühne leer. Die Performerinnen ziehen sich mal Perücken auf, schmeißen mal Konfetti in die Luft, stehen sonst aber über große Strecken dozierend nebeneinander.
Für Abwechslung sorgen Audioeinspieler, die vorab mit Karnevalistinnen aufgezeichnet wurden. An diesem Punkt zeigt sich die Rechercheintensität des Projekts von Regisseurin Andrea Bleikamp. Das Team hat mit zahlreichen Frauen über ihre Erfahrungen im Kölner Karneval gesprochen und sich so ein aktuelles Bild verschaffen können. Ein Besuch in der Orangerie lohnt sich allemal, denn inhaltlich ist es ein hochpolitischer, wichtiger Abend, der die fünfte Jahreszeit genau unter die Lupe nimmt.
Orangerie Theater, 29.3., 20 Uhr; 30.3., 18 Uhr