Alles nur gemalt?
Wie verzaubert wirkt die weite Winterlandschaft mit dem Titel »Rheingau/Nebel I«. Die großformatige Farbfotografie ist eine der sechsunddreißig Arbeiten, die Axel Hütte (*1951) aus seinen seit Mitte der 1990er Jahre entstandenen Werkgruppen für die Ausstellung im Arp Museum ausgewählt hat. Nicht die landschaftlich so prägenden, vom Rhein sachte ansteigenden Weinberge des Rheingaus sind darauf festgehalten. Hütte faszinierte vielmehr die eigentümliche Atmosphäre, wie sich der Nebel über die Weiß-, Blau- und Grautöne des Winters legt und die visuellen Grenzen zwischen dem Fluss, einem baumbestandenen Inselstreifen, dem Bergrücken im Hintergrund und dem Himmel nahezu auflöst. Von diesem Anblick hat der Künstler mit analog-fotografischen Mitteln ein Landschaftsbild geschaffen — und den Betrachtenden einen Imaginationsraum eröffnet.
Eine Eisenbahnbrücke wie »Rawngilly Bridge« wird von dem einstigen Becher-Schüler nur im Ausschnitt erfasst. So versperrt das Bauwerk den Blick und wird zugleich zum farbigen Rahmen der Baumkronen, die sich dahinter vor dem gleichmäßig hellen Himmel abzeichnen. Seine Aufnahme eines isländischen Gletschers konzentriert sich auf die Ausformungen des Eises und erscheint, obwohl der Naturraum erkennbar bleibt, als ein beinahe abstraktes Bild. Mitunter werden Landschaftsdetails gekippt oder gespiegelt und die Realität regelrecht auf den Kopf gestellt.
Weniger bekannt als seine Fotografien sind die in der Ausstellung präsentierten Videoarbeiten des Künstlers. Das rhythmische Zusammenspiel des abstrahierten Bildgeschehens mit den unterlegten klanglichen Arrangements seiner Mitarbeiter stimuliert die Fantasie auf unerwartet einnehmende Weise.
Der »malerische« Charakter, der Hüttes Werken nachgesagt wird, findet auch in der seit 2020 entstehenden Serie der »Flowers« eine Entsprechung. Die Natur ist darin auf einzelne Blütenstängel reduziert, wie man sie bei Spaziergängen am Feldrand findet. Mit technischen Finessen hat der Fotograf eine Farbumkehr bewirkt und die fragilen Gewächse auf einer schwarzen Bildfläche in seltsamer Buntheit oder Farblosigkeit zum Leuchten gebracht. Die vor dunklem Hintergrund inszenierten Blumenstillleben der Barockmalerei kommen einem vor diesen Werken in den Sinn, aber auch das manipulative Potenzial der digitalisierten Gegenwart. Unsere Aufmerksamkeit wird von Hütte bewusst herausgefordert.
Arp Museum Rolandseck, Hans-Arp-Allee 1, 53424 Remagen bis 15.6.; Di–So 11–18 Uhr