Leider keine Ausnahme
Rund um den Gürzenich ging es erst am Aschermittwoch so richtig ab. Die Polizei hatte den Ort weiträumig abgesperrt. Drinnen hatte die AfD zur »Metropolenkonferenz« geladen, mit Beatrix von Storch war ein wenig Parteiprominenz erschienen und die Kölner AfD-Leute hatten sich deshalb zur Feier des Tages eine Art rote MAGA-Kappe aufgesetzt. Draußen vor den Absperrungen hatten sich bei drei Kundgebungen etwa 1000 Menschen versammelt, die es nicht zur Normalität werden lassen wollen, dass eine rechtsextreme Partei sich in »Kölns guter Stube« treffen kann. Und eine Parole hallte auch an diesem Tag immer wieder durch die Altstadt: »Ganz Köln hasst die AfD«.
Leider stimmt sie immer weniger. 10, 27 Prozent der Stimmen konnte die AfD in Köln bei der Bundestagswahl Ende Februar gewinnen — das höchste Ergebnis einer rechtsextremen Partei seit mehr als 20 Jahren. »Das überrascht mich nicht«, sagt Jörg Detjen, der seit vielen Jahren für die Linke im Stadtrat sitzt. Schließlich habe die AfD ihre Stimmen auch bundesweit verdoppeln können. Köln folgt diesem bundesweiten Trend. Selbst im südwestlichen Wahlkreis Köln II, wo die AfD einen der geringsten Stimmenanteile von ganz Deutschland hat, konnte sie diesen mehr als verdoppeln.
Wir haben soziale Themen angesprochen. Aber das ist kein PatentrezeptJörg Detjen, Die Linke
Besonders erfolgreich war die AfD jedoch in Stadtteilen, die weitaus weniger wohlhabend als der Südwesten sind: in Chorweiler, Grengel oder Vingst. Es sind Stadtteile, in den auch Detjens Partei einen hohen Stimmanteil erreichte. »Wir haben im Wahlkampf überwiegend soziale Themen angesprochen«, sagt Detjen. Aber das sei kein Patentrezept gegen die AfD, sagt er und verweist auf das Bickendorfer Westend, wo ein überdurchschnittlich viele Menschen auf Leistungen vom Jobcenter angewiesen sind. Mit Haustürwahlkampf konnte die Linke dort ihren Stimmenanteil verdreifachen, »aber die AfD konnte sich auch verdoppeln«, sagt Detjen.
Aus den AfD-Ergebnissen bei der Bundestagswahl Lehren für die Kommunalwahl am 28. September zu ziehen, ist jedoch schwierig — schon alleine, weil die Wahlbeteiligung dann eher um die 50 Prozent anstatt bei mehr als 80 Prozent liegen dürfte. Sorgen vor einem erneuten Erstarken der bislang vier Ratsmitglieder umfassenden AfD-Fraktion gibt es dennoch. Bislang haben die Rechtsextremen kein Aufsichtsratsmandat bei den städtischen Unternehmen und kein Stimmrecht in den Ausschüssen des Rats. »Das haben alle demokratischen Ratsfraktionen verhindern können«, sagt Jörg Detjen. »Wenn die AfD-Fraktion auf sechs Prozent oder mehr anwächst, wird das nicht mehr möglich sein.« Bislang hatte die AfD im Stadtrat bei ihren Anträgen zudem ein geschlossenes Bündnis aller anderen Parteien gegen sich.
Am 3. April wurde dies zumindest aufgeweicht. An diesem Tag stand die Abstimmung über einen U-Bahn-Tunnel auf der Ost-West-Achse auf der Tagesordnung. Die Befürworter des Tunnels von CDU, FDP und SPD hatten zuvor keine Mehrheit im Stadtrat — es sei denn, sie hätten den Tunnel mit den Stimmen der AfD beschlossen. Das haben sie dann auch getan, auch wenn die vier Stimmen der AfD nicht den Ausschlag gaben, weil vier Ratsmitglieder krank waren und sich so die Mehrheitsverhältnisse verändert hatten. Die Grünen verließen aus Protest den Saal, von den Tunnelbefürwortern waren nur abwiegelnde Worte zu hören. Und die AfD verkündete: "Die Brandmauer ist gefallen."
Anm.d.Redaktion: Dieser Artikel ist ursprünglich in unserer April-Ausgabe erschienen. Wir haben ihn am 4. April aktualisiert, um die Ereignisse bei der Abstimmung über die Ost-West-Achse aufzunehmen.