Zehn Sekunden Aufmerksamkeitsspanne auf TikTok

Floskeln helfen nicht

Die Kölner Politik erreicht die Menschen kaum. Das muss sich ändern

Die Kölner Politik ist gerade mit sich selbst beschäftigt: Die Grünen wählen die in den Stadtwerke-Skandal verwickelte Kirsten Jahn in den Vorstand und sind darüber zerstritten. Die CDU, mit der man kein Mitleid haben muss, ist schon in zwei Lager zerfallen, die jeweils andere Politikerinnen und Politiker protegieren, ohne dass dies vorrangig inhaltlich begründet wäre. Die SPD wirkt nach außen geschlossen — um den Preis, dass kein Profil erkennbar ist, etwa bei der wichtigen Frage des Ausbaus der Ost-West-Achse. Und in der Fraktion der ­Linken haben profilierte Kräfte ihren Rückzug angekündigt, was nicht nur für Begeisterung sorgt.

Gerade schreiben die Parteien Wahlprogramme. Noch ist es ihnen kaum gelungen, sich mit Themen öffentlich zu profilieren: Wohnungsnot, soziale Spaltung, schlechter ÖPNV, ­Klimawandel — all das treibt Menschen um, aber die Parteien können mit ihren Lösungsvorschlägen nicht begeistern. Ihre Floskeln, Parolen und modischen Stanzen besitzen keinen Wiedererkennungswert.

Die Hilflosigkeit zeigt sich unter anderem darin, wie sich auch die demokratischen ­Parteien etwa auf TikTok ­be­geben, jene Plattform, die ­nachweislich die Gehirne weichspült. Demokratische ­Politik gemäß den Formatvorgaben von Big Tech zuzurichten, ob nun aus dem Umfeld der chinesischen Diktatur oder der Milliardärs-Clique um Trump, um so »politikferne Menschen« zu erreichen — das kann nicht ­gelingen. Wer nach den Regeln von Big Tech spielt, hat das Spiel schon verloren. Nie wird man dort Menschen langfristig für demokratische Kultur begeistern. Alles verkommt zum Schlagabtausch, zur billigen Polemik, zum reflexhaften ­Denken nach dem immergleichen Reiz-Reaktions-Muster.

Natürlich gehen die Parteien auch auf die Menschen zu, jetzt, da der Kommunalwahlkampf Fahrt aufnimmt. Doch zeigt sich oft die gleiche kommunikative Lieblosigkeit: im staatstragenden Duktus des Verwaltungssprechs oder in den ­gerade modischen Floskeln, mit denen man sich gegen den nächsten Shitstorm zu immunisieren glaubt.

Es sollte den Parteien zu denken geben, dass gerade jene, die aus diesem Muster ausscheren, die auch mal originelle ­Gedanken jenseits der Parteiprogrammatik fassen, am ­ehesten Aufmerksamkeit erhalten — und letztlich Interesse für Politik wecken. Noch ist Zeit dafür.