Haben Sie die etwa alle gelesen? — Der gesamte Bestand der Zentralbibliothek ist schon im Interim

»Es fühlt sich an wie während Corona«

Das Interim der Zentralbibliothek ist immer noch nicht vollständig eröffnet. Was ist da los?

Erst sollten nur Fenster und ­Fassaden energetisch saniert ­werden, dann war bald klar, ­dass das nicht reichen würde. Die Zentralbib­liothek am Josef-­Haubrich-Hof sollte den »An­sprüchen einer ­zeitgemäßen ­Bibliothek« genügen, und das ­bedarf einer Kern­sanierung; auch der Abriss des 1979 eröffneten ­Gebäudes und anschließender Neubau wurde anfangs diskutiert.

Seit Juli vergangenen Jahres ist das Gebäude geschlossen, die Sanierung läuft, alles im Zeitplan, sagt die Stadt Köln — allerdings nicht im Interim, im Ausweichgebäude an der Hohe Straße 68–82. Schon im September sollte man dort Medien ausleihen können. Doch wegen Baumängeln im angemieteten Gebäude geht das erst seit Februar, Menschen sind enttäuscht, weil sie in den Räumen noch nicht Platz nehmen können. Das Interim: bislang bloß ein Eck­laden mit Take-away-Angebot.

»Das Warten darauf, dass das Interim vollständig zu nutzen ist, ist schon schmerzhaft — auch für unsere Mitarbeitenden«, sagt die Diplom-Bibliothekarin Anja Flicker, seit Januar neue Leiterin der Stadtbibliothek. Und für die langjährige Projektmanagerin Bettina Scheurer fühlt sich die Situation »fast schon an wie während Corona«.  Immerhin sollen bald drei von fünf ­Etagen an der Hohe Straße für ­Besucher öffnen, zunächst ­würden dann stark nachgefragte Bücher und Medien frei zugänglich sein, so Scheurer — »noch im Frühjahr«, was dann wohl ­be­deutet: im Mai. Alle fünf Etagen sollen schließlich »im Sommer« eröffnen, weniger Fläche, aber derselbe Bestand an Medien.

Dass Anja Flicker in einer Übergangsphase antritt, ist für sie Routine. »2020, während Corona, habe ich in Essen angefangen. Dort und vorher in Würzburg, wo wir die Stadtbibliothek neu kon­zipiert haben, waren die zentralen Themen, Ziele, Herausforderungen die gleichen — das kenne ich also gut«, sagt sie. In Würzburg  ­arbeitete Flicker mit dem niederländischen Architeken Aat Vos eine Modernisierung aus — so ähnlich wie in Köln in der Stadtteilbibliothek Kalk, einer der ­»modernsten und innovativsten Bibliotheken Deutschlands«, wie es bei der Stadt Köln heißt. Flicker will die Zentralbibliothek weiter zu einem sogenannten dritten Ort ausbauen: ein niedrigschwelliger Treffpunkt, an denen Menschen gemeinsam Kompetenzen erweitern und kreativ sein können.

Schon im Interim wolle man neue Formate ausprobieren, die dann bei der Neueröffnung der Zentralbibliothek — geplant Ende 2028 —  angeboten werden sollen. Dazu wolle man aber erst einmal gemeinsam mit den Menschen deren Bedürfnisse kennenlernen. Zudem will Flicker die Vernetzung mit Kulturinstitutionen ausweiten. »Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Demokratieförderung — das treibt ja alle um«, sagt sie. »Wir wollen daher auch weiterhin Ort des Austauschs für alle bleiben.«

Bei der Weiterentwicklung der Zentralbibliothek geht es auch um neue Technologien, etwa Künstliche Intelligenz. Dazu will Flicker verstärkt Angebote machen. »Die Schulungen unserer Kompetenz-Teams beinhalten aber nicht nur die Funktionsweise, sondern lenken auch die Aufmerksamkeit auf kritische Aspekte.«

Aber was ist es für eine Bib­liothek, die ihrer Kundschaft 3D-Drucker, Roboter und VR-Brillen anbietet, während Werkausgaben kanonisierter Autorinnen und ­Autoren teils aus dem Magazin ­bestellt werden müssen? Das eine schließe das andere ja nicht aus, sagt Flicker. »Früher gab es Informationen gedruckt, heute findet man sie aber eben nicht mehr nur in Büchern — insofern haben sich Bibliotheken längst geöffnet.« Es  gehe nach wie vor um Lesekompetenz, aber eben auch um Medienkompetenz: sich selbst­bestimmt, aber auch kompetent zu informieren und etwa Fake News zu erkennen. »Ob Kita-­Führung, Lyrik-Veranstaltungs­reihe, Social-Media-Workshop — alles hat seine Berechtigung, es braucht diese Vielfalt«, so ­Flicker. Ab 2028 dann mit Dachterrasse.