Verzögerungen im Betriebsablauf: KVB-Haltestelle Heumarkt auf der Ost-West-Achse

Im Kreis gedreht

Weder für den ober- noch für den unterirdischen Ausbau der Ost-West-Achse gibt es eine Mehrheit. Beschließt der Stadtrat nun einen ­Kurztunnel mit Stimmen der AfD?

Was der Lokalpolitik schon 2018 nicht gelang, scheint in Köln auch sieben Jahre später nicht zu schaffen zu sein: Sich über den Ausbau von wenigen Schienenkilometern auf der so genannten Ost-West-Achse zu einigen. Sollen die Linien 1, 7 und 9 in der Innenstadt durch einen Tunnel fahren oder oberirdisch? Mitte März stimmte der Verkehrsausschuss mit knapper Mehrheit pro Tunnel — doch ob der Stadtrat Anfang April dem Votum folgt, ist offen. Dort gibt es andere Mehrheitsverhältnisse.

»Wir setzen ein Signal für die Verkehrswende in Köln«, warb ­Teresa De Bellis-Olinger (CDU) im Verkehrsausschuss für ihren Änderungsantrag mit SPD und FDP. Der Antrag entspricht im Groben den Planungen der ­Verwaltung für die unterirdische Variante, weist aber ­auch deutliche Änderungen auf: So soll es keinen unterirdischen ­Abzweig unter dem Mauritiusviertel geben und die Linie 9 ­weiter oberirdisch fahren, auch eine Ebene an der Haltestelle ­Neumarkt soll entfallen.

Dabei hatten die drei Fraktionen Ende 2024 einen viel weitreichenderen Antrag beschlossen: Einen langen Tunnel unter dem Rhein hindurch zwischen Deutz und Melaten mit Abzweig nach Lindenthal sowie ein »Metro­linien«-System. Doch die Verwaltung warnte, die Änderungen ­seien so erheblich, dass man mit der ­Planung von vorn beginnen müsse. Man verpasse die Frist, um für den Bau Fördergelder von Bund und Land in der aktuellen Förderperiode zu bekommen. Sie läuft am 31. Juli ab. Deshalb splitteten die Tunnelfraktionen ihre Pläne auf: In einen Änderungsantrag zum kurzen Tunnel plus Prüf­aufträge, diesen nach Deutz und ­Lindenthal zu verlängern, sowie »Metrolinien«, die Köln mit dem Umland verbinden. Über alle drei soll im Rat abgestimmt werden.

Wir werden niemals die Stimmen der AfD nutzen, um ein Thema durchzubringenLukas Lorenz, SPD

Von einem »Einstiegstunnel« sprach CDU-Frau De Bellis-­Olinger, während Lars Wahlen (Grüne) ihn einen »Kurztunnel« nannte. »Alles andere sind Luftschlösser!«, so Wahlen. CDU und FDP sollten bitte verraten, wie sie es geschafft haben, »die SPD so über den Tisch zu ziehen«. Die SPD nämlich, die schon vor Jahren für den Rheintunnel getrommelt hatte, hatte sich zwischenzeitlich den Grünen angenähert — so weit, dass man sogar einen gemeinsamen Antrag entworfen hatte, der zunächst einen raschen ober­irdischen Ausbau plus Option auf späteren Tunnel vorsah. Dann aber zog sich die SPD wieder ­zurück — angeblich hatten ­Experten signalisiert, sobald ­oberirdisch ausgebaut sei, gebe ­es kein Fördergeld mehr für einen Tunnel. Die SPD habe sich nicht für den besseren Plan, sondern für die bessere Perspektive entschieden, sagt ihr verkehrspoli­tischer Sprecher Lukas Lorenz. »Wir mussten uns entscheiden und beide Beschlussalternativen der Verwaltung weisen Mängel auf«, sagt Lukas Lorenz.

»Ein Jahr hat sich die SPD im Kreis gedreht, nur um jetzt an der gleichen Stelle wieder heraus­zukommen«, fasst Lars Wahlen von den Grünen zusammen. Im ­Verkehrsausschuss gibt auch die ­Verwaltung Bedenken zu Protokoll: Wegen des Verzichts auf den Abzweig unter dem Mauritiusviertel und anderen Änderungen gegenüber der ursprünglichen Vorlage müsse man bei manchen Abschnitten von vorn beginnen. Man könne auch keine Aussage darüber treffen, »wie sich der ­Zuwendungsgeber zu den geplanten Änderungen verhält« — soll heißen, ob die Förderfähigkeit durch Bund und Land dann noch gegeben ist. Das Tunnelbündnis gehe eine riskante Wette auf ­Kosten der Steuerzahler ein, sagt Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Lino Hammer. »Selbst wenn sie aufgeht, drohen jahrelanger Stillstand im ÖPNV, riesige Baugruben im Herzen der Stadt und Kosten von über einer Milliarde Euro.« Ralph Sterck (FDP) aber ist optimistisch. Man habe sich »in der Förderszene« beraten lassen, alle Änderungen könne man gut mit Bund und Land verhandeln.

Das Tunnelbündnis aus CDU, SPD und FDP verfügt im Rat nur über 44 von 91 Stimmen. Auch wenn sich OB Henriette Reker, die sich mehrfach für den Tunnel ausgesprochen hat, anschließt, fehlt eine Stimme für die Mehrheit. Die Fraktionen, die für den ober­irdischen Ausbau stimmen wollen, kommen zusammen auf 39 Stimmen. Die AfD, die sich ­bislang nicht positioniert hat und mit vier Sitzen im Rat vertreten ist, könnte zum Zünglein an der Waage ­werden. »Wir werden niemals die Stimmen der AfD nutzen, um ein Thema durchzubringen«, sagt ­Lukas Lorenz (SPD). Schon beginnen die Planspiele, wie man ein solches Szenario ausschließen kann. Auf Enthaltungen oder ­Abwesenheiten wegen Krankheit zu hoffen, um allein mit dem ­Tunnelbündnis die Mehrheit zu erreichen, wird als Strategie kaum ausreichen. »Wir werden alles, wirklich alles dafür tun, dass es eine Entscheidung gibt«, sagt ­Lorenz. Es klingt fast so, als ­könnte diese im Zweifel auch für oberirdisch fallen.

 

Ost-West-Achse
Täglich nutzen mehr als 100.000 ­Fahrgäste die KVB-Linien zwischen Bensberg und Weiden-West. Um mehr Fahrgäste befördern zu können, sollen die Haltestellen für den Einsatz von 90-Meter-Zügen umgebaut werden. Ob man dafür in der Innenstadt einen Tunnel baut oder nicht, darüber werden sich die Ratspolitiker nicht einig. 2018 beauftragte das schwarz-grüne Bündnis deshalb die Verwaltung, beide Varianten zu planen, die Ergebnisse ­liegen seit rund einem Jahr vor.