Nach heftigen Debatten unverrückbar: Mahnmal zur Erinnerung an den Völkermord an den Armeniern

Großer Andrang, stilles Gedenken

In Köln lebt die größte armenische Community in Deutschland. Im April gedenkt sie des Völkermords an den Armeniern im Jahr 1915

Aufgebrachtes Publikum Mitte ­Januar im Filmhaus: Der Dokumentarfilm »Asadur« von Memet Emin Yildiz ist ausverkauft, eine zweite Vorführung wird versprochen. Die anschließende Podiumsdiskussion mit Raffi Kantian von der Deutsch-Armenischen Gesellschaft und Drehbuchautor Mesut Ethem Kavalli nimmt das Thema des Films auf: die Zwangsassimilation armenischer Waisen nach dem Völkermord von 1915. Auch der als Türke aufgewachsene Protagonist Asadur erfuhr erst spät, dass er Nachfahre Überlebender ist, und macht sich nun, 81-jährig, auf die Suche nach ­Spuren der fast ausgelöschten ­armenischen Kultur bei Malatya. Die Aufführung fand am Gedenktag für Hrant Dink statt: Der Jour­nalist und Herausgeber der in ­Istanbul erscheinenden armenischen Zeitschrift Agos hatte das Thema Assimilation in die Öffentlichkeit gebracht. Der Hinweis, dass Atatürks Adoptivtochter ­Armenierin war, wurde von Ultranationalisten als Beleidigung des Türkentums verstanden und ­führte letztlich zur Ermordung Dinks am 19. Januar 2007.

Dass der Jahrestag der Ermordung Hrant Dinks und der Gedenktag am 24. April, der an den Völkermord an den Armeniern ­erinnert, auch in Köln mit Kulturveranstaltungen und großem ­Andrang begangen wird, hat einen besonderen Hintergrund: In Köln und Umgebung lebt die größte ­armenische Community in Deutschland. Raffi Kantian von der Deutsch-Armenischen Gesellschaft schätzt sie auf 10.000 Menschen, bei insgesamt 60.000 bis 80.000 Armeniern bundesweit. Viele kamen bereits in den 60er und frühen 70er Jahren mit ­türkischen Gastarbeitern nach Deutschland, sie lebten als Türken und verschwiegen häufig Kolleginnen und Landsleuten ihren christlichen Glauben, aus Angst vor Diskriminierung.

Heute sei das nicht mehr so problematisch, sagt Kantian, auch wenn sich manche noch immer bei öffentlichen Veranstaltungen aus Sorge um ihre Verwandten in der Türkei zurückhielten. Es ­bestehe ein reges Interesse, etwas über die eigene Herkunft zu ­erfahren — was sich auch an der Nachfrage nach Gentests zeige, so Drehbuchautor Kavalli: »Nach dem Film fanden sich über Gen-Datenbanken mehrere weitläufige Verwandte von Asadur, vor kurzem meldete sich etwa ein als ­türkischer Muslim sozialisierter junger Mann, der sich nun ­umbenannt hat und Armenisch lernt.« Die Armenier beziehen auch heute ihre Identität aus der Auseinandersetzung mit dem Völkermord, dessen Traumatisierungen in der aktuellen Politik der Türkei ­nachwirken. Doch die Liberalisierung zu Beginn der ­Regierung ­Erdogans sowie die ­Publikation von Familiengeschichten assimilierter Armenier machten das Thema der familiären Abstammung auch dort ­sichtbarer, was direkt auf die ­Diaspora zurückwirkt.

Auch in der Erinnerungspolitik in Köln mischen sich widerstrebende armenische, türkische und deutsche Interessen: Der Kampf für ein Mahnmal zu Füßen des Reiterstandbilds von Wilhelm II., Bündnispartner der Jungtürken, habe ­zumindest einen Sieg gegen nationalistischen (deutsch-)türkischen Widerstand erlangt, sagt Albrecht Kieser von der ­Initiative »Völkermord erinnern«. Das kleine, einst mobile Denkmal steht nun un­verrückbar an der Hohenzollern­brücke. Kieser wünscht sich eine würdigere ­Ausfertigung — und den Dialog mit der Stadt. Im April richtet die Initiative Kultur- und Dis­kussionsveranstaltungen aus. Wer still gedenken will, besucht den ­armenischen Friedhof ­Lehmbacher Weg in Brück. Dort erinnert ein Kreuzstein an die ­Opfer von 1915.

So, 30.3., Asadur, Filmforum NRW, 13.30 Uhr, mit Diskussion »110 Jahre Genozid an den Armeniern« Veranstaltungsreihe der Initiative ­»Völkermord erinnern«, Termine und Infos auf voelkermord-erinnern.de