Oslo Stories: Liebe
Zumindest vordergründig sind es Grindr und Tinder, die die Handlung von »Oslo Stories: Liebe« antreiben. Der Krankenpfleger Tor lernt mittels Dating-App den Psychologen Bjørn kennen, zu dem er bald eine denkbar intime, wenn auch (vorerst) platonische Freundschaft knüpft. Und die Urologin Marianne bedient sich des gleichen Hilfsmittels, um sexuelle Unverbindlichkeit zu erproben, bevor sie sich mit dem Geologen Ole auf eine Beziehung einlässt.
Regisseur Dag Johan Haugerud, der zu seinem fünften Langspielfilm auch das Drehbuch verfasst hat, lässt die beiden Hauptfiguren auf einer Fähre zu besagten Apps greifen. Wobei sich während ihrer abendlichen Fahrten zwischen Oslo und einer Vorstadt eigentlich zwischen den wenigen Passagier*innen auch so entspannte Nähe ergeben könnte. Unausgesprochen stellt sich damit die Frage nach den gegenwärtigen Bedingungen zwischenmenschlicher Kontakte.
»Oslo Stories: Liebe« ist der zweite Film einer Trilogie des 60-jährigen norwegischen Filmemachers, deren dritter Teil »Träume« im Februar in Berlin den Goldenen Bären gewonnen hat (Kinostart: 8. Mai; der erste Teil der Trilogie, »Sehnsucht«, startet erst am 22. Mai). Nähe ist das Thema dieses täuschend einfach wirkenden Films: Nähe zu anderen Menschen, aber auch zur umgebenden Stadtlandschaft. Entsprechende Themen bringt der Film in ebenso offenherzigen wie diskreten Dialogen zur Sprache. Die Inszenierung hebt sie ebenfalls hervor, wenn Gespräche beispielsweise vor auffallender Großstadt-Geräuschkulisse geführt werden. Derweil wird der locker mäandernde Plot, der sich in einer Atmosphäre sommerlicher Heiterkeit zuträgt, regelmäßig von Panorama-Aufnahmen interpunktiert, in denen Oslos Rathaus der Fixpunkt ist.
Dessen Fassadenschmuck wird im Film von der städtischen Angestellten Solveig vorgestellt, als sie im Kolleg*innenkreis ihr Konzept für ein kommunales Jubiläum bewirbt. So steht in »Oslo Stories: Liebe« stets auch das abstrakte Thema Bürgerschaft im Raum sowie dessen etwaiger Bezug zu Aspekten von Nähe.
Allerdings kann Solveig ihre Ideen offenbar ebenso wenig vermitteln wie ihre Jugendfreundin Marianne eine Diagnose, die sie in der Anfangssequenz einem Patienten stellt. Hier kommen Unterschiede von Milieu und Erfahrung zum Tragen — die bezeichnenderweise auch beim Tindern nicht ganz außen vor bleiben.
(Kjærlighet) N/S 2024, R: Dag Johan Haugerud, D: Andrea Braein Hovig, Tayo Cittadella Jacobsen, Marte Engebrigtsen, 119 Min. Start: 17.4.